Atomenergie: Sicher, sauber, essentiell…?

Während die G8 gerade die Atomenergie zu einem „essential instrument“ zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen erklärt hat, ist am Montag in Frankreich eine große Menge Uran aus dem AtomkraftwerkTricastin ausgelaufen und hat Boden und Flüsse verseucht. Die Bevölkerung wurde erst am nächsten Tag informiert. Baden und Fischen bleibt verboten, und Thierry Charles vom französischen Institut für Nukleare Sicherheit (IRSN) erklärte: „Wenn die Leute kein Wasser trinken, gibt es kein Kontaminierungsrisiko.“ Na wunderbar!

Im Atommüll-Lager Asse wurde zwei Wochen zuvor radioaktive Salzlauge entdeckt, was die Eignung des Standorts in Frage stellt (ZEIT-Bericht).

Am Dienstag folgt ein „Zwischenfall“ im ungarikschen AKW Paks. Es seien keine radioaktiven Substanzen ausgetreten.

Paks, Paks – erinnern sie sich an Paks? Der Name steht für den „schwersten Unfall in einem europäischen Atomreaktor seit Tschernobyl“. Der Atomexperte Gerd Rosenkranz schrieb dazu in seinem Essay „Mythos Atomkraft: Über die Risiken und Aussichten der Atomenergie„. Ein Auszug (Hervorhebungen durch mich):

Wo Menschen arbeiten, machen sie Fehler. Sie können von Glück sagen, dass die nach jedem Unfall aufs Neue als „unerklärlich“ eingestufte Verkettung von Fehlleistungen nicht immer so hart bestraft wird, wie 1986 in der Ukraine und seinen Nachbarstaaten. In Block 2 des Atomkraftwerks Paks, 115 Kilometer südlich der ungarischen Hauptstadt Budapest gelegen, blieb es bei der Überhitzung und Zerstörung von 30 hochradioaktiven Brennelementen, die sich in einen Haufen strahlenden Schutt am Boden eines mit Wasser gefluteten Stahlkessels verwandelten. Es blieb bei einer massiven Freisetzung radioaktiver Edelgase, die in hoher Konzentration in den panisch geräumten Reaktorsaal strömten und die später, um die Halle für Personal in Strahlenschutzanzügen wieder zugänglich zu machen, mit höchster Ventilatorleistung volle 14 Stunden ungefiltert in die Umgebung geblasen wurden.

Der Name Paks steht für den schwersten Unfall in einem europäischen Atomreaktor seit Tschernobyl. Die Überhitzung des hochradioaktiven Materials spielte sich noch dazu außerhalb des verbunkerten Sicherheitsbehälters ab. Doch die Welt jenseits der ungarischen Grenzen nahm praktisch keine Notiz von dem nuklearen Inferno, das sich im Innern einer mobilen Brennelement-Reinigungsanlage anzubahnen drohte. Die Fachleute im In-und Ausland, die die Abläufe jener Nacht später rekonstruierten, erkannten bestürzt, dass es viel schlimmer hätte kommen können. Nicht nur die unaufgeregte Reaktion der internationalen Öffentlichkeit auf den dramatischen Zwischenfall war neu. Die Havarie von Paks bedeutete auch in anderer Hinsicht eine Premiere. Erstmals hatten west- und osteuropäische Reaktormannschaften in einer Kaskade aus Sorglosigkeit, Managementfehlern und Routineseligkeit einen schweren Störfall gemeinsam und geradezu zielstrebig herbeigeführt. Beteiligt: Konstrukteure und Operateure des deutsch-französischen Atomkonzerns Framatome-ANP (einer Tochter des französischen Areva- und des deutschen Siemens-Konzerns), Betriebsmannschaften des Atomkraftwerks sowjetischer Bauart in Paks und Fachleute der ungarischen Atomaufsichtsbehörde in Budapest. Sie alle traf ein Teil der Verantwortung – und sie kamen glimpflich davon. Als die 30 Brennelemente, immerhin rund ein Zehntel einer vollen Reaktorkernbeladung, nach der chemischen Reinigung nicht genügend gekühlt wurden, brachten sie zuerst das Kühlwasser im Reinigungskessel zum Sieden, kochten dann regelrecht trocken, erhitzten sich auf bis zu 1200 Grad Celsius und zerbröselten schließlich wie Porzellan, als die überforderten Operateure nach pannenreichen Versuchen, die große Katastrophe zu vermeiden, einen Sturzbach aus kaltem Wasser auf sie leiteten. Zu diesem Zeitpunkt lag eine atomare Verpuffung, also eine begrenzte, aber unkontrollierte Kettenreaktion nach Überzeugung der Reaktorphysiker im Bereich des Möglichen. Mit verheerenden Folgen nicht nur für die Umgebung des Kraftwerks Paks.

… sicher, sauber, essentiell…?

Lesetipp: Kernfragen zur Atomenergie im Tagesspiegel

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