Kernige Korruption

Der Tagesspiegel bringt heute eine beunruhigende Story. Der Atomphysiker Georgi Kotev (Foto), ehemaliger Beschäftigter des bulgarischen AKW Kosloduj, erhebt schwere Anschuldigungen gegenüber seinem Arbeitgeber:

Aus seinen Beobachtungen schließt Georgi Kotev, dem bulgarischen Kernkraftwerk Kosloduj könnte vom russischen Lieferanten TVEL minderwertiger Brennstoff, im schlimmsten Fall gar recyceltes Uran geliefert werden. „Auf Grund der Preisdifferenz zwischen neuem und recyceltem Brennstoff würde dies die Realisierung eines enormen Korruptionsschemas erlauben mit Beträgen von -zig Millionen Euro pro Jahr“, sagt Kotev. Eine solche Korruption, warnt der Experte, könne zu einem enormen Verlust der Berechenbarkeit der beiden aktiven Kernreaktoren von Kosloduj führen.

Hören Sie sich Georgi Kotevs Aussage selbst an:

Selbstverständlich wird alles von der bulgarischen Nuklearagentur bestritten. Doch ist Bulgariens Ruf in Sachen Korruption nicht der Beste: Auf Transparency Internationals „Corruption Perception Index 2007“ nimmt das Land einen unrühmlichen Rang 64 ein, unweit von Tunesien, El Salvador und Kolumbien.

Kotev hat inzwischen das Land verlassen, weil er um seine Sicherheit fürchtet. Mit gutem Grund: Zuletzt wurde Anfang April ein Unternehmer der bulgarischen Atomwirtschaft erschossen. Und Albena Simeonova, eine bulgarische Umweltaktivistin und Ökobäuerin, die seit vielen Jahren gegen die nuklearen Pläne Bulgariens in Belene kämpft, hat schon massive Morddrohungen erfahren (Interviews mit ihr hier und hier).

Im AKW Kosloduj (Foto: Wikipedia) hat am 1. März 2006 ein schwerer Störfall stattgefunden (Ausfall der Hauptkühlmittelpumpe, Versagen der Schnellabschaltung). Wenn Sie nun denken, unter diesen Umständen wäre schon der Weiterbetrieb des existierenden Atomkraftwerks riskant, und erst recht nicht an Neubau zu denken, so muss ich Ihre Zuversicht erschüttern: Bulgarien plant ein weiteres Atomkraftwerk, in einer von Erdbeben gefährdeten Zone. Und der deutsche Stromkonzern RWE will 2 Milliarden Euro in das Atomkraftwerk Belene in Bulgarien investieren, obwohl nach langanhaltenden Kundenprotesten etliche internationale Geldgeber, allen voran mehrere deutsche Banken abgesprungen sind.

Urgewald meint: Ein Atomkraftwerk, das nach deutschen Sicherheitsbestimmungen niemals ans Netz gehen dürfte, mitten in einem Erdbebengebiet zu bauen, ist unverantwortlich und eine Gefahr für Millionen Menschen in Europa. Daher FingeRWEg. Urgewald ruft dazu auf, Protestbriefe an RWE zu senden. Ich bin sicher, Georgi Kotev würde sich diesem Protest anschliessen.

Was hat das alles mit der Klimadebatte zu tun? Wer beim Klimaschutz wie unsere schwarz-gelbe Neubautruppe, Tony Blair oder John McCain auf Atom setzt, wird Atomkraftwerke auch in sehr korrupten Ländern benötigen. Ob das eine verantwortbare und verlässliche Strategie ist?


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