Was haben Sierra Leone und die Bahamas gemeinsam?

Vor einer Woche sind in Accra (Ghana) die Klimaverhandlungen zu Ende gegangen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Weltklimakonferenz in Poznan (Polen) im Dezember 2008. Obwohl die Verhandlungen teilweise an Geschwindigkeit zunehmen und inzwischen in vielen Bereichen (z.B. der Frage der Einbeziehung von Wäldern ins Klimaregime, Anpassung an den Klimawandel und Finanzierung) gute und konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, wird der spätestens in Bali sichtbar gewordene Graben und das Misstrauen zwischen Industrieländern (den sogenannten Annex-1 Ländern) und dem Rest der Welt, den Entwicklungs- und Schwellenländern, die in der Gruppe der G77 und verschiedenen Untergruppen (z.B. African Group, Alliance of Small Island States) verhandeln, immer deutlicher. Die Positionen sind klar und aus der jeweiligen Argumentationslinie nachvollziehbar.

Meena Raman von Friends of the Earth International hat eine interessante Analyse der Debatten in Accra verfasst.

Die Entwicklungs- und Schwellenländer (vor allem die letzteren) haben ein großes Interesse daran, die Aufteilung in Annex-1 und Nicht-Annex-1 Länder beizubehalten, so wie es in der Klimarahmenkonvention festgehalten ist. Das bedeutet für sie nämlich, dass es in den Verhandlungen für sie nicht um die Aufnahme von verbindlichen Zielen zur Emissionsreduktion geht. Sie haben keinerlei Vertrauen in die Industrieländer, dass diese zugesagte Finanzhilfen und Erleichterungen beim Technologietransfer tatsächlich umsetzen werden. Sie beharren auf der alleinigen historischen Verantwortung der Industrieländer für den Klimawandel.

Die Industrieländer argumentieren, dass die Aufteilung in Annex-1 und Nicht-Annex-1-Länder längst veraltet ist, dass es viele Länder gibt, deren Bruttosozialprodukt pro Kopf weit über dem eines Landes wie der Ukraine liegt, das als Annex-1 Land gilt. Das sind beispielsweise Singapur, die Bahamas oder Saudi Arabien, die in der gleichen Kategorie verhandeln wie Sierra Leone oder Bangladesch.

In Accra hat nun die EU den Vorschlag eingebracht, über eine mögliche Differenzierung von Entwicklungsländern im Rahmen eines zukünftigen Kyoto-Folgeabkommens zu verhandeln und hat von den G77 eine geschlossene Abfuhr bekommen.

Es liegt ganz klar in der Verantwortung der Industrieländer, den ersten Schritt zu machen und leere Versprechen in Taten umzusetzen. Es liegt aber auch in der Verantwortung der Eliten in den Schwellen- und Entwicklungsländern, ihren fairen Beitrag zu einem Klimaabkommen zu leisten. Das ist nicht nur eine Frage von Moral, sondern eine wissenschaftliche Notwendigkeit, denn auch eine komplette Dekarbonisierung der Industrieländer in den kommenden Jahrzehnten genügt nicht, die Erderwärmung unter 2 Grad zu halten und somit gefährlichen Klimawandel zu stoppen.

Um aus dieser Sackgasse zu kommen, um den Verhandlungsparteien die Chance zu geben, aus den jeweiligen Grabenkämpfen auszubrechen, sind zwei Dinge notwendig, die bisher noch nicht erkennbar sind: 1. Gegenseitiges Vertrauen und 2. Ein Verständnis der Klimakrise als gemeinsame Herausforderung.


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