Schurkenstaat Deutschland

Vergangenen Dienstag war „Super-Dienstag“ im europäischen Parlament. Abstimmung über zentrale Elemente des Klima- und Energiepakets der EU. Ein wichtiger Zwischenschritt des europäischen Entscheidungsfindungsprozesses.

Die Entscheidungen der EU haben dabei weltweite Bedeutung, denn die EU ist „Lokomotive“ im Klimaprozess, und wenn die Lokomotive streikt, geht wenig voran.

Während man sich am Dienstag über die Entscheidungen des Parlaments noch weitgehend freuen durfte (euractiv-Bericht), droht nun von Seiten der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat Gefahr.

Polen hat eine Blockade-Koalition mit der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland geschmiedet (Telegraph-Bericht). Kein Wunder angesichts der in diesen EU-Mitgliedsstaaten noch recht unterentwickelten Klimadebatte (wohl aber angesichts der Verwüstung die gerade Griechenland im Zuge der Klimawandels droht).

Wenige aber wissen, dass nun auch Deutschland zu den „Schurkenstaaten“ im EU-Konzert gehört. Denn unsere Kohle- und Autokanzlerin (vulgo Klimakanzlerin genannt) Merkel hat sich inzwischen zu den Staaten gesellt, die eine weitgehende Aufweichung der Versteigerungsregeln im europäischen Emissionshandel fordern (zur Versteigerung: hier und hier und wer es ganz genau wissen will hier).

Aufgrund des starken Widerstands u.a. auch Deutschlands plant nun anscheinend die französische EU-Präsidentschaft, das EU-Klimapaket entscheidend zu entschärfen. Germanwatch schlägt Alarm:

Die französische EU-Ratspräsidentschaft will aber nun dem Lobby-Druck der CO2-Großemittenten in der EU in zentralen Punkten nachgeben.

* Bisher hatte die EU-Kommission in den Verhandlungen mit den Schwellenländern sowie auf UN-Ebene angeführt, dass sie bereit sei, im Falle eines ambitionierten Klimaschutz-Gesamtabkommens das EU-Reduktionsziel von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen. Die Französische Präsidentschaft will für alles, was über ein 20-Prozentziel hinausgeht, nun ein zusätzliches Mitentscheidungsverfahren in der EU festlegen. Damit verlöre die EU die zentrale Säule ihrer Glaubwürdigkeit in den internationalen Verhandlungen. Da nicht einmal sie – als vermeintlicher Vorreiter – mit der Bereitschaft zu einem 30-Prozent-Reduktionsziel anreisen würde, könnte praktisch ausgeschlossen werden, dass es ein ambitioniertes Klimaschutzabkommen in Kopenhagen im Dezember 2009 geben wird. Das zentrale Ziel der EU, den Klimawandel auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, würde von der EU selbst zu Fall gebracht.

* Es wird die Tür geöffnet, dass ein Teil des Strommarktes von der Auktionierung im Rahmen des Emissionshandels befreit wird. Damit wird auch die zentrale Säule des Emissionshandels aufgeweicht. Ohne die Auktionierung entfällt die Lenkungswirkung dieses Instrumentes und es wird zum Subventionsinstrument für die Energieversorger, die den Emissionspreis den Kunden in Rechnung stellen, aber die Zertifikate geschenkt bekommen.

* Es sollen Kriterien eingeführt werden, nach denen die Industrie von der Auktionierung von Verschmutzungsrechten befreit werden soll. Damit wird der Emissionshandel zu einem zahnlosen Tiger.

* Auch will die französische Präsidentschaft, dass die EU ohne eine Zusage für neue Finanzinstrumente in die internationalen Verhandlungen geht. Anders als vom EU-Parlament vorgeschlagen, soll dann nicht einmal ein bestimmter Anteil der (nach dem vorgelegten Papier) ohnehin verringerten Auktionierungserlöse für den internationalen Klimaschutz bereitgestellt werden. Auch soll es den Nationalstaaten überlassen bleiben, ob sie die Erlöse zuhause für den Klimaschutz nutzen.

* Eine Reihe von Mitgliedsstaaten schlägt außerdem vor, dass nur noch 50% der Emissionsverpflichtungen der Industrie und Energiewirtschaft, und sogar nur ein Drittel für die anderen Sektoren als Klimaschutz in der EU geleistet werden muss. Der Rest könnte dann durch billige Zertifikate aus Entwicklungsländern geleistet werden.

Ich kann Christoph Bals (Germanwatch) nur zustimmen, wenn er sagt:

„Die EU hat sich (bisher, JH) auf eine Strategie festgelegt, den Klimawandel auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, weil alles andere zu völlig unakzeptablen Konsequenzen – vom Schmelzen der polaren Eiskappen bis hin zum Kollaps des indischen Monsuns oder des Amazonas-Regenwalds führen kann. Unter dem Ansturm einiger Lobbyisten soll nun eine Klimastrategie durchgesetzt werden, die diesem Ziel Hohn spricht. Die EU würde sich damit in die Reihe der Totengräber des Klimas einreihen.“

Nun geht es ums Ganze. Wenn die EU einbricht, kann Kopenhagen 2009 nicht gelingen. Es ist Zeit für die deutsche Klimaschutzbewegung, alles andere stehen und liegen zu lassen und nun jeden möglichen Druck zu machen, um Sarkozy und Merkel von ihrem Amok-Kurs abzubringen.


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