Klimatrickser aus Deutschland

Ein Gastbeitrag von Bärbel Höhn – stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen

Weltweit ist das europäische Klimaschutzmodell des Emissionshandels gefragt wie nie. Mit Barack Obama zieht erstmals ein Präsident ins Weiße Haus ein, der für Treibhausgase Obergrenzen und Handel („cap and trade“) befürwortet. Und von Tokio bis Canberra planen Regierungen und Parlamente eigene Handelssysteme. Damit rückt die Perspektive eines weltumspannenden Kohlenstoffmarkts in greifbare Nähe.

Doch während der Emissionshandel sich international immer mehr durchsetzt, arbeitet die Bundesregierung im Stillen daran, das seit 2005 bestehende europäische Emissionshandelssystem auszuhöhlen. Bei den EU-Beratungen über die Zukunft des Emissionshandels – die Anfang Dezember im Rahmen des EU-Klimapakets abgeschlossen werden sollen – hat Deutschland zwei Forderungen angemeldet, die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit des Emissionshandels unterminieren.

Zum einen wirbt die Bundesregierung dafür, der Industrie freigiebig Gratiszertifikate zuzuteilen. Auf diese Weise beschenkt werden sollen zwei Drittel aller Unternehmen. Dazu gehören auch jene Betriebe, die kaum im internationalen Wettbewerb stehen. Diese kostenlose Rundum-Versorgung aber mindert für die Unternehmen den Anreiz, möglichst emissionsarm zu wirtschaften.

Schaden für die Verbraucher

Ähnliche Ausnahmen für die Stromwirtschaft lehnt die Bundesregierung noch ab. Doch ist Wirtschaftsminister Michael Glos anzumerken, dass er dem Drängen einiger osteuropäischer Länder, auch Eon, RWE und andere Versorger mit Gratiszertifikaten auszustatten, nur allzu gerne nachgeben würde. Das aber schadet dem Klima und den Verbrauchern.

Außerdem tritt die Bundesregierung dafür ein, Klimaschutzprojekte im Ausland überaus großzügig anzuerkennen. In einer aktuellen Studie der Organisation World Wide Fund for Nature (WWF) wird vorgerechnet, dass nach deutschem Vorschlag gerade die Stromwirtschaft mehr als 80 Prozent ihrer bis 2020 erforderlichen CO2-Einsparungen durch sogenannte CDM- und JI-Vorhaben im Ausland zustande bringen dürfte. Statt Kohlekraftwerke zu drosseln oder ganz abzuschalten, können Eon, RWE und andere die entsprechenden CO2-Reduktionen einfach über Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern nachweisen.

Gratisrechte nur in Härtefällen

Dieser an sich löbliche Technologietransfer ist in der Praxis nicht ausgereift. Nach unabhängigen Untersuchungen ist die zusätzliche CO2-Reduktion bei 40 bis 75 Prozent der Projekte höchst fraglich. Es droht ein Klima-Ablasshandel, durch den in Deutschland alles beim Alten bleibt und auch in China oder Indien kein CO2 eingespart wird.

Sollten die deutschen Vorstellungen umgesetzt werden – und die Chancen stehen leider nicht schlecht -, dann wird das Klima-Flaggschiff der EU durch die Hintertür demontiert. Die europäischen Reduktionsziele stünden zwar schön auf dem Papier, unter dem Strich würden sie aber nicht erbracht. Darunter hätten auch die Uno-Klimaverhandlungen zu leiden, die im kommenden Monat im polnischen Poznan in eine weitere Runde gehen.

Was erforderlich ist, hat der Weltklimarat IPCC bereits deutlich gemacht: Europa muss seine Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent reduzieren. Zusätzliche Klimaprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern sind zu begrüßen, dürfen aber nicht zulasten des Klimaschutzes in Europa gehen. Dem muss der Emissionshandel Rechnung tragen. Außerdem sollten die Emissionsrechte weitestgehend versteigert werden, um die Lenkungswirkung des Emissionshandels zu erhöhen. Gratiszuteilungen an die Industrie müssen auf wenige Härtefälle begrenzt bleiben.

Wenn der europäische Emissionshandel auf diese Weise ausgestaltet wird, kann er ein erfolgreiches Instrument für den Klimaschutz werden. Möglicherweise taugt er dann sogar als Vorbild für die Pläne des künftigen US-Präsidenten Barack Obama.


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