Optimismus und Realismus in der Klimakrise

Mein kritischer Kommentar zum Welt-Artikel „Reichen die alternativen Energien wirklich aus?“ erschien heute im Politischen Tagebuch von dieGesellschafter.de:

Die Klimakrise spitzt sich zu. Aktuelle wissenschaftliche Studien belegen eindeutig, dass sogar die düsteren Vorhersagen des vierten Berichts des Weltklimarats (IPCC) wichtige vorliegende Erkenntnisse außer Acht lassen und den Ernst der Lage noch beschönigen. Experten und Expertinnen zweifeln an, ob wir überhaupt noch in der Lage sind, die globale Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Oberhalb dieser Schwelle aber – und wahrscheinlich schon deutlich darunter – wird die Krise zur Katastrophe und bedeutet eine Welt, in der ich nicht mehr leben möchte.

Hinzu kommt, dass wir in einem Dilemma stecken: Die Industrieländer tragen einen Großteil der ökologischen Schuld und können doch alleine das Problem nicht mehr lösen – auch wenn sie ihre Emissionen von heute auf morgen auf Null reduzieren würden. Ohne massive Emissionsreduktionen im Süden (von Anpassungsmaßnahmen ganz zu schweigen!) ist eine Stabilisierung nicht mehr denkbar. Wir brauchen also tragfähige und gerechte Konzepte zur Lastenteilung im Klimaschutz und müssen uns auf massive Finanztransfers von Nord nach Süd einstellen. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass die Industrieländer sich radikal von ihrem kohlenstoffbasierten Wachstum und Konsummustern verabschieden und eine wirkliche Energiewende vollziehen. Damit einher geht notwendigerweise ein Wandel in den Lebensstilen.

Angesichts dieser Lage regt es mich persönlich und politisch auf, wenn genau diese Wende und dieser Wandel als »ökologische Verheißungen« dargestellt werden: Belastungen für Betreiber von Kohlekraftwerken werden »ersonnen«, die Idee einer Energiewende ist »Glaube«, Alternativen sind »sündhaft teuer« und »sagenhaft«. Doch wer genau ist hier eigentlich noch nicht aufgewacht? Und wer definiert Optimismus und Realismus in der Klimakrise?

Hier ist es sicherlich entscheidend, wen man befragt: »unabhängige« Experten einer Unternehmensberatung, die sich auf die Beratung von großen Energiekonzernen spezialisiert haben, werden eine andere Antwort geben als Klimawissenschaftler oder Umweltminister. Klimapolitik ist nämlich auch Psychologie – was wir spätestens seit der Erfolgsgeschichte von Al Gores »Unbequemer Wahrheit« wissen. Unbequem ist sie nämlich diese Wahrheit: Ja, unsere Kühlschränke mögen größer sein als früher und ja, wir mögen einen immer größeren Bedarf an stromfressenden Geräten haben. Aber wer sagt, dass das unsere Planungsgröße ist? Bedeutet Politikgestaltung, die stets steigende Energienachfrage fraglos zu decken? Wer definiert das Niveau an Schmerz und Einschränkungen, die wir durch die Lösung des globalen Problems Klimawandel in Kauf nehmen müssen. Wiegt der Ernteverlust eines indischen Kleinbauern mehr oder weniger als der Verlust eines zweiten Kühlschranks in Europa oder Nordamerika? Genau diese Fragen will niemand stellen – und sie werden doch täglich indirekt mit Taten und politischen Entscheidungen beantwortet.

Und auch wenn’s niemand hören will, will ich hier noch eine unbequeme Wahrheit loswerden: Unsere fossilen Rohstoffe sind endlich und gehen rasant zur Neige. Beim Erdöl ist bereits in circa fünf Jahren damit zu rechnen, dass der tägliche Bedarf die weltweite Produktion übersteigen und damit zu Versorgungsengpässen, weiter steigenden Ölpreisen und in der Folge einer massiven wirtschaftlichen Rezession führen wird. Und dem widerspricht inzwischen noch nicht einmal mehr explizit die Internationale Energieagentur, die noch bis vor kurzem ein Paradebeispiel psychologischer Schönrede- und Problemleugnungstaktik war.