Wieviel Öffentlichkeit braucht die amerikanische Klimapolitik?

„Ihr Völker der Welt – schaut auf diese Stadt!“

Dieser Aufruf Ernst Reuters vor mehr als 60 Jahren spiegelt ziemlich genau die Erwartungshaltung vieler Staaten, nicht-staatlicher Organisationen und anderer Akteure bezüglich der Positionierung der USA in der internationalen Klimapolitik wieder. Mit Präsident Obama scheint die USA den Sprung aus der Steinzeit der US-Klimapolitik zu vollziehen. Gerade die Verpflichtung der USA auf ein gemeinsames 2°-Ziel im Rahmen der G8 Erklärung lässt auf eine aktive(re) Rolle der USA in der nationalen und internationalen Klimapolitik hoffen.

Jedoch der unsichere Gesetzgebungsprozess des jüngsten Entwurfs zum US Klimapaket lässt an der Zustimmung der breiten Öffentlichkeit in punkto Klimapolitik zweifeln. Die Fragen, die sich besorgniserregend durch jüngste Umfrageergebnisse aufdrängen, sind: Ist der durchschnittliche US-Amerikaner mit an Bord? Weitergedacht: Inwiefern lässt sich eine progressive(re) US Klimapolitik ohne die Öffentlichkeit durchziehen? Alarmglocken werden ausgelöst durch eine kürzlich erschienene Studie. Das Pew Centres for People and Press mit der American Association for the Advancement of Sciences (AAAS) haben 2500 Wissenschaftler und 2000 Bürger zum Verhältnis Öffentlichkeit und Wissenschaft allgemein und in Themenbereichen wie z.B. Klimawandel befragt. Demnach gehen wissenschaftliche und öffentliche Meinungen zu den Ursachen globaler Erwärmung sowie der Problemwahrnehmung des Klimawandels dramatisch auseinander: 84% der Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass menschliche Aktivitäten globale Erwärmung verursachen. Doch dies wird nur von 36% der Öffentlichkeit geteilt. 11% der US Bürger sehen gar keinen Zusammenhang. Ebenso sind 70% der wissenschaftlichen Community der Meinung sind, dass Klimawandel ein sehr ernstes Problem darstellt. Doch nur 47% der Öffentlichkeit sehen genauso gesehen.

Anstatt diese Umfrageergebnissen mit lapidaren Kommentaren wie „typisch Amerikaner“ abzutun, sollte man an dieser Stelle drei wichtige und besorgniserregende Folgen bedenken:

  • Erstens, was bedeutet dieser Graben zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit für das Zustandekommen und die Beständigkeit der US Klimapolitik bzw. der US-politischen Positionierung in den internationalen Klimaverhandlungen? Ist ein „yes, we can“ von Obama auf dem G8 Gipfel überhaupt glaubwürdig, wenn es nicht von der breiten Öffentlichkeit getragen wird?
  • Zweitens, Klimapolitik machen ist eine Sache – diese umzusetzen hingegen eine andere. Dazu gehört u.a. auch die Änderung von Lebensstilen und Einstellungen. Inwiefern kann sich eine nachhaltige Klimapolitik durchsetzen, wenn der Normalbürger dem Thema so zwiegespalten gegenüber steht?
  • Drittens, ist es anscheinend an der Zeit, das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit genauer zu beleuchten bzw. die Rolle der Wissenschaft zu hinterfragen. Wenn Einschätzungen in kritischen Bereichen wie dem Klimawandel so eklatant auseinander gehen; was läuft da schief? Normativ gefragt: wieviel Wissenschaft braucht denn der Bürger? Oder: Inwiefern steht die Wissenschaft in der Pflicht, „bürgernah“ zu sein?

Man hat sich an die USA als Buhmann der internationalen Klimapolitik ja schon fast gewöhnt. Und dass die US- Öffentlichkeit keine große Begeisterung für das Klimathema ausweist, mag auch nicht so verwunderlich erscheinen. Aber schauen wir mal in unseren eigenen „backyard“: Wie ist es denn um das Verhältnis Wissenschaft/Öffentlichkeit im Klimabereich hier in Deutschland und Europa bestellt….? Und: wir Deutschen haben zwar eine hervorragendes Umweltwissen – aber ändern wir denn unsere Lebensstile?


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