Verhandlungsmikado at its best

MikadoHeute hätten sich die EU Finanzminister darauf einigen sollen, welche Summe die EU in Kopenhagen an Transfers für die Entwicklungsländer bereit stellen möchte – für Anpassung wie auch Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen im globalen Süden. Sie haben sich nicht geeinigt. Damit hat die EU eine weitere, sehr wichtige Chance verpasst, den Verhandlungsprozess zu beflügeln. Ein Durchbruch in Kopenhagen ist wieder ein kleines Stück unwahrscheinlicher geworden. Vielen Dank.

Einige osteuropäische Länder, namentlich Polen, argumentieren, sie müssten schon genug Lasten durch die eigenen Klimaschutzmaßnahmen tragen. Dass sie nun noch die Entwicklungsländer finanziell unterstützen sollen, mag ihnen nicht einleuchten. Hm. Wenn Flugreisen nicht so viel CO2 emittieren würden, wünschte ich mir die gesamte polnische Regierung mal auf eine Besuchsreise nach Indien oder Indonesien zu schicken. Dann würden sie sehen, dass es doch noch ein paar Länder auf der Welt gibt, denen es schlechter geht als Polen.

Aber auch die Bundesregierung hat in Brüssel eine destruktive Rolle gespielt. Sie ist der Meinung, es wäre zu früh, jetzt schon konkrete Zahlen auf den Tisch zu legen. Das sei etwas für die letzte Nacht, gar die letzten Minuten in Kopenhagen. So nach dem Motto: Tatatata – hier ist unser Scheck!

Allerdings passt diese Verhandlungsstrategie nicht so ganz dazu, das (noch-) Umweltminister Sigmar Gabriel in den letzten zwei Jahren kaum eine Gelegenheit ausgelassen hat, das von ihm so genannte „Verhandlungsmikado“ zu krisitieren: die Verhandlungen kämen deswegen nicht voran, so Gabriel, weil alle nur auf einen Vorschlag von den anderen warteten und niemand sich zuerst bewegen mag.

Während die Polen auf Entwicklungsländer-Tour gehen, könnten mit der Bundesregierung folgende Fragen zum Verhandlungsmikado diskutiert werden: warum eigentlich vergibt sich die Bundesregierung eine Chance bei der Ankündigung von möglichen Finanztransfers, die ohnehin noch konditionalisiert werden? Es ist ja nicht so, dass den Entwicklungsländern in Kopenhagen Geld-Geschenke gemacht werden sollen. Nein, für jeden Euro Transferleistung müssen sie ohenhin noch konkrete Tonnen vermiedenes CO2 nachweisen. Es obliegt also ganz den Industrieländern, wie viel Vermeidung sie mit wie viel Geld erreichen wollen. Völlig egal, ob sie die Zahl heute oder in der letzten Nacht von Kopenhagen nennen.

Noch eine zweite Frage drängt sich auf: was zum Teufel kann man tun, um das alte Denken des Süd-Nord-Grabens zu überwinden? Sowohl was Finanztransfers als auch was Vermeidungsziele betrifft sind das Problem doch nicht die Entwicklungs- oder Schwellenländer, sondern allen voran die USA, Kanada, auch Japan und andere Industrieländer. Mit denen wird die EU eine harte Zeit haben, vergleichbare Verpflichtungen auszuhandeln. Was hat die EU denn davon, wenn sie in der letzten Nacht die Summe für Finanztransfers auf den Tisch legt, die Entwicklungsländer diese selbstverständlich fressen werden (was bleibt ihnen auch anderes übrig) – aber die USA und andere Industrieländer einfach nicht mitziehen und viel weniger anbieten? Die Entwicklungsländer werden sich doch eher einem Abkommen verweigern, wenn von den anderen Industrieländern nix kommt!

Um dies zu vermeiden, muss der Verhandlungsmikado schnellstens beendet werden. Die größte Gefahr für ein Scheitern von Kopenhagen sind die Industrieländer. Sie müssen sich bewegen. Beziehungsweise bewegt werden. Und zwar von der EU.


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