Grundlegende Zäsur in der Klimapolitik ?

Die USA, so scheint es, steigen aus der Klimapolitik aus. WARUM SCHREIT DENN NIEMAND? Ok, schon richtig: viele von uns haben es kommen sehen. Trotzdem bin ich irritiert, dass das ganze rein US-amerikanisch diskutiert wird. Was jetzt passiert, denke ich, wird als grundlegende Zäsur in die internationale Klimapolitik eingehen.

Wer erinnert sich noch an den 11.Juni 2001? Das war der Tag, an dem George W. Bush bei seiner Rede im Rosengarten des Weißen Hauses den Ausstieg der USA aus dem internationalen Klimaprozess bekundete. O-Ton: das Kyoto Protokoll sei “fatally flawed in fundamental ways”. Damals ging ein Beben durch die Weltpolitik. Und in der Folge wurde die Klimapolitik sieben dürre Jahre lang von einer einzigen Frage dominiert: (wie) kann die internationale Staatengemeinschaft den Klimaschutz ohne die USA voranbringen? Diese Frage könnte jetzt wieder genauso aktuell werden wie damals. Auch wenn nicht Bush, sondern Obama im Amt sitzt.

Wenn jetzt nicht noch ein Wunder passiert, kann die Zäsur auf den 26.4.2010 datiert werden: der Tag, an dem ein halbwegs umfassendes Klimagesetz in den USA bis auf weiteres gestorben ist. Die Demokraten, so scheint es, stellen ihre Versuche, ein Klimagesetz durch Senat und Repräsentantenhaus zu peitschen, vorerst ein. Vorerst heißt hierbei: in dieser Legislaturperiode läuft da nichts mehr. Wenn überhaupt, wird ein neues Klimagesetz in den USA erst im Jahre 2013 wieder in Angriff genommen. Ohne nationales Klimagesetz können die USA in den Klimaverhandlungen so gut wie nichts anbieten. Aber bis 2013 können die Verhandlungen nicht warten. Das Scheitern von Kopenhagen sitzt ohnehin schon tief. Doch dann wäre die Luft gänzlich raus. Daher schiebt sich nun erneut die Frage in den Vordergrund: (wie) kann die internationale Staatengemeinschaft Klimapolitik ohne die USA voranbringen?

Weil unter Bush jahrelang Antworten darauf geübt wurden, trifft die Frage die Staatengemeinschaft nicht unvorbereitet. Allerdings stehen die Klimaverhandlungen derzeit auch unter einer zweiten Großfrage: wie können die Schwellen- und Entwicklungsländer in das Klimaregime eingebunden werden? Trotzdem ist die Situation heute nicht unbedingt auswegsloser als damals. Der einzige Anreiz für Industrieländer, Kyoto zu ratifizieren und sich den Emissionszielen zu stellen, lag damals in der Teilnahme am Emissionshandel. Nun gibt es noch einen weiteren Anreiz: Geld.

Die Verteilung der Klimafinanzen kann der Kleber sein, der alle Länder, die Klimaschutz ernst nehmen, zu einer „Koalition der Willigen“ einen könnte: Nur jene Schwellen- und Entwicklungsländer werden Zugriff auf die Gelder haben, die auch das künftige Abkommen ratifizieren. Dabei müssen die Finanzen so ausgegeben werden, dass auch die klimafreundlichen Unternehmen der Industrieländer etwas davon haben, wenn sie Technologien für Klimaschutz und Anpassung entwickeln und verbreiten. Und zugleich dürfen nur jene Industrieländer den Emissionshandel (inklusive CDM) nutzen, die ratifiziert haben.

Gut möglich, dass Kanada trotzdem nicht mitspielt. Aber Japan und Australien sind schon wahrscheinlicher. Wie kann für China, Indien, Brasilien sicher gestellt werden, dass sie nur dann von Technologie-Transfer und Klimafinanzen profitieren, wenn sie mit von der Partie sind? Das dürfte die spannende Frage der nächsten Monate der Verhandlungen sein. Mit dem Ausstieg der USA gibt jedenfalls kein anderer Grund mehr Anlass zur Hoffnung, dass China trotzdem mitmacht. Und wo kein Druck mehr möglich ist, braucht China deutliche Anreize.

Derweil sollte die Hoffnung vollends aufgegeben werden, dass die internationale Klimapolitik die Welt vor einer gefährlichen Erwärmung von über 2 Grad Celsius bewahren kann. Auch hier hat das Scheitern von Kopenhagen bereits erhebliche Zweifel laut werden lassen. Nun aber ist klar: Selbst wenn es eine Koalition der Willigen gibt, wird diese keine so drastischen Minderungen verfolgen, wie die Wissenschaft es fordert, so lange die größte Volkswirtschaft der Welt außen vor bleibt. Ohne die USA können die internationalen Verhandlungen keine Triebkraft mehr für Klimaschutz sein.

Insofern kam der Klimagipfel von Cochabamba, an dem 35.000 Menschen aus aller Welt teilgenommen haben, genau zur rechten Zeit. Mehr denn je sind Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Politik jetzt gefordert, über alternative Lösungen nachzudenken. Weiterhin alles auf die internationalen Verhandlungen zu setzen und ansonsten den Status quo zu verfolgen, wird in jedem Fall zu kurz greifen. Die Zäsur in der Klimapolitik bedeutet auch: über Klimaschutz muss viel grundsätzlicher nachgedacht werden!

Foto von David Reece auf Flickr.com mit Creative Commons Lizenz


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