Überstunden statt Sommerpause. Der US-Gesetzentwurf für ein umfassendes Klima- und Energiepaket soll in der letzten Woche vor der Sommerpause in den Senat eingebracht werden. Hinter den Kulissen wird heftig gestritten. Die Energieversorger dringen auf weitere Ausnahmen- nicht beim Emissionshandel, sondern bei traditionellen Luftschadstoffen.
Der Juli 2010 wird für Washingtons Klimapolitiker zur Nagelprobe. Die Demokraten starten den vielleicht letzten Versuch, doch noch ein Klimagesetz zu verabschieden. Ihr Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, kündigt vier Eckpunkte für den Gesetzentwurf an, der innerhalb der nächsten 10 Tage abgestimmt werden soll:
Erstens, als Reaktion auf die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sollen die Haftungsregeln und Bohrstandards für die Ölmultis verschärft sowie deren Einhaltung strenger überwacht werden. Die unter ex-Präsident George W. Bush eingeführten Steuerschlupflöcher sollen geschlossen werden. Die Einnahmen sollen einen Rettungsfonds speisen, um die Kosten möglicher künftiger Unfälle zu bestreiten.
Zweitens, Effizienzstandards für Elektrogeräte sollen verschärft werden. Erstmals sollen Standards für den Energieverbrauch von Gebäuden eingeführt werden, seit langem überfällig. Die Autohersteller wehren sich gegen eine weitere Anhebung der Verbrauchsstandards für PKW und fordern stattdessen strengere Vorgaben für Raffinerien zur Herstellung sauberer Kraftstoffe.
Drittens, “saubere Energien” sollen besonders gefördert werden. Ja, man ahnt es schon, hier geht es auch um den Bau neuer Atomkraftwerke sowie die Förderung von CCS-Projekten. Für erneuerbare Energien in der Stromerzeugung soll eine landesweite Quote eingeführt werden. Dieser Passus ist umstritten, da sich etliche Bundesstaaten gegen (vermeintlich) hohe Ziele wehren. Der Vorschlag aus dem Energieausschuss, bis 2021 nur 15 Prozent zu erreichen (von denen auch noch 4 Prozentpunkte durch Effizienz ersetzt werden dürfen), gilt als wenig anspruchsvoll. Das dürfte sogar unter dem Trendszenario liegen. Inzwischen haben 30 Bundesstaaten eigene Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien (Renewable Portfolio Standard) gesetzt.
Viertens, der umstrittenste Teil des Pakets ist die Einführung des Emissionshandels. Inzwischen haben dessen Befürworter um Senator John Kerry ihre Ambitionen zurückgestuft. Um die Widerstände im Senat zu verringern, soll der Emissionshandel zunächst nur für Kraftwerke gelten. Das produzierende Gewerbe, also etwa die Stahl- und Chemieindustrie, würde später ins System eingegliedert werden. Doch selbst diese abgespeckte Form ist schwer durchzusetzen (wie die New York Times berichtet). Die Energieversorger fordern ein Entgegenkommen an anderer Stelle: Die Umweltagentur EPA soll die anstehende Verschärfung von weiteren Schadstoffen für Kraftwerke (z.B. Quecksilber, Stickoxide) aussetzen. Dabei holt die EPA jetzt nur die Versäumnisse der letzten Jahre nach. Sie ist nach dem Luftreinhaltegesetz dazu verpflichtet, regelmäßig die Standards für Luftschadstoffe zu überprüfen und anzupassen. Doch hatte die EPA diese Arbeiten unter dem Druck der Bush-Regierung weitgehend eingestellt. Man merke, im Jahr 2010 kämpft Obama noch immer mit den Erblasten der Bush-Regierung.
Die meisten US-Umweltschützer sind kompromissbereit. Für ein umfangreiches Gesetz mit Klimaziel und Emissionshandel wären viele bereit, im Gegenzug milliardenschwere Subventionen für neue Atomkraftwerke hinzunehmen. Doch das jetzt diskutierte Ausbremsen der EPA brächte das Fass zum Überlaufen. Ein solches Gesetz wäre schlechter als gar kein Gesetz (wie z.B. David Roberts argumentiert). Denn die verschärften Grenzwerte der EPA sorgen nicht nur für weniger Gifte in den Flüssen und der Luft in den USA. Die Nachrüstung der teilweise uralten Kraftwerke wäre für die Betreiber viel zu kostspielig. So dürften die neuen Grenzwerte dafür sorgen, dass die dreckigsten Kohlekraftwerke der USA schon bald in den Ruhestand geschickt werden. Das wäre das vermutlich umfangreichste Klimaschutzprogramm, das die USA bis 2020 auflegen könnte.
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