"Ist China bereit vorwärts zu gehen?"

Chinas Platz bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen

Auf dem Weg von Kopenhagen nach Cancún treffen sich die Unterhändler der UN-Klimaverhandlungen vom 4. bis 8. Oktober im chinesischen Tianjin zu einer letzten Verhandlungsrunde vor der nächsten COP in Mexiko, Ende November.

Klima der Gerechtigkeit fragt die chinesische Klimaexpertin Yu Jie nach ihren Erwartungen an Tianjin und Cancún.

 

 Klima der Gerechtigkeit(KdG): Was, glauben Sie, wird während der Klimaverhandlungen in Tianjin passieren? Wird Klimafinanzierung eines der Themen sein bei dem wir Ergebnisse in Tianjin oder Cancún erwarten dürfen?

Yu Jie: Bei der letzten Verhandlungsrunde in Bonn im August haben sich die Länder aus der Arbeitsgruppe zur langfristigen Zusammenarbeit im Klimaregime (AWG-LCA) auf einen neuen Verhandlungstext geeinigt, an dem sie jetzt arbeiten wollen. Die derzeit 70 Seiten des Textes müssen auf ein handlicheres Maß reduziert werden. Allerdings wird es ein hartes Stück Arbeit sein, Hunderte von eingeklammerten Optionen zu entfernen, besonders wenn ein verbindender roter Faden für die Einzelteile fehlt. Der fehlende Faden ist ein starker politischer Wille, der aber im Prozess um eine Klimagesetzgebung in den USA aufgebraucht zu sein scheint. Deshalb stimme ich der Ansicht zu, dass Klimafinanzierung ein Gebiet ist, bei dem es Konsens und substantielle Ergebnisse in Cancún geben kann. Tianjin wird eine Station auf dem Weg dorthin sein.

KdG: Wie werden die Klimagespräche in Tianjin von den chinesischen Medien und der Öffentlichkeit aufgenommen?

Yu Jie: Für die chinesischen Medien und die NGOs ist es etwas Besonderes, weil dies die ersten Klimaverhandlungen sind, die in China stattfinden. Sie beobachten mit großem Interesse wie China bei diesem Treffen auftreten und sich profilieren wird. Wird China versuchen zu erklären, was in Kopenhagen geschehen ist und ist es bereit vorwärts zu gehen?

KdG: Was sind die Erwartungen der chinesischen Regierung an Cancún? Was kann China in den Verhandlungen anbieten? Und wie sieht China andere wichtige Akteure wie die USA, die EU und die anderen BASIC-Länder?

Yu Jie: Ich denke, China hat realistische Erwartungen für Cancún. Einerseits ist bekannt, dass es eine Übergangs-COP ist. Eine verbreitete Auffassung ist, dass sie sich auf das konzentrieren sollte, was sie auch tatsächlich leisten kann. Andererseits ist Klimafinanzierung eine Frage, auf die sich viel Aufmerksamkeit konzentrieren wird, weil wir in Kopenhagen schon auf gutem Wege zu einer Einigung waren.

Nach Ansicht der chinesischen Regierung haben die Vereinigten Staaten es in der Hand eine neue engagierte Verhandlungsrunde einzuläuten. Allerdings, ohne einen klaren Fahrplan für eine amerikanische Klimagesetzgebung lässt sich nicht vorhersehen wann es soweit ist. Die USA üben derzeit Druck auf China aus, seine Währung RMB neu zu bewerten, deshalb sind die diplomatischen Beziehungen gerade sehr intensiv, wenn auch nicht herzlich. Für die chinesische Regierung hat eine schnelle Beendigung der Währungskrise im Moment höchste Priorität.

Während China von den USA weitere Reduktionszusagen erwartet, wird die EU als der Akteur gesehen, der die Verhandlungen über die Klimafinanzierung in Gang hält, damit – und das ist sehr wichtig – die gesamten Verhandlungen in einer warmen und freundlichen Atmosphäre stattfinden.

Was die vier BASIC-Länder betrifft, ist es für die chinesische Regierung wichtig sicherzustellen, dass die Gruppe gemeinsam handelt. Das ist auch das Ziel der regelmäßigen Treffen.

KdG: Welches sind die Strategien der chinesischen Zivilgesellschaft in Richtung Cancún? Ist sie gut genug aufgestellt und in der Lage auf Transparenz und Überprüfbarkeit der Klimafinanzierung zu drängen, die China erhalten könnte?

Yu Jie ist unabhängige Analystin für Klimapolitik in China. Sie leitete das Policy und Research Programm von The Climate Group in China. Davor arbeitete Yu Jie als Vice President Policy für Climate Change Capital, eine Low-Carbon-Bankengruppe. Sie war auch Programmkoordinatorin für Klima und Umwelt im China-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung. Von 2004 bis 2006 war sie Politikberaterin für Greenpeace China. Yu Jie nimmt seit 2004 an UN-Klimaverhandlungen teil.

Yu Jie: Seit Kopenhagen ist alle Aufmerksamkeit darauf gerichtet, ob China sich dem Grundsatz von Messbarkeit, Berichtbarkeit und Überprüfbarkeit, dem MRV, seiner Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet. Es wird sich für die chinesische Zivilgesellschaft lohnen, sich mehr Wissen über den Zustand und über die Verbesserungspotentiale des chinesischen Energiestatistiksystems anzueignen, damit sie eine eigene Position zu den entsprechenden zukünftigen Institutionen, zur Politik und zur Implementierung  entwickeln kann. In ein paar Monaten wird China außerdem seinen elften Fünfjahresplan beenden. Dieser Plan ist ein äußerst wichtiges Instrument für das Land, um seine Situation zu überprüfen und die gesammelten Erfahrungen zu analysieren. Es wird China helfen, seine Klima- und Energiepolitik auf lange Sicht effektiv auszurichten.

In der Vergangenheit wurden Klimaprogramme der Global Environment Facility (GEF) in China von einer dem Finanz- und dem Umweltministerium unterstellten Regierungsbehörde verwaltet. Es ist unwahrscheinlich, dass die Zivilgesellschaft Zugang zu den Projektinformationen bekommen wird. Auch zukünftige Finanzierung wird sicherlich auf die gleiche Art verwaltet werden. Die Frage, ob die chinesische Zivilgesellschaft in der Lage ist zu partizipieren hängt davon ab, wie die Finanzierungsmodelle ausgestaltet werden. Wenn die internationale Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle für NGOs im entsprechenden UN-Entscheidungsprozess erreichen kann, wird die chinesische Zivilgesellschaft bereit sein, zukünftig die Transparenz und die Überprüfbarkeit der an China geleisteten Klimafinanzierung zu verbessern.

Quelle Foto oben: Polska zielona siec auf Flickr.com unter CC-Lizenz BY-NC

Quelle Foto unten: Yu Jie


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