Alarm im Land der Freiheit. Die Benzinpreise klettern nach oben. Und das zu einer Zeit, in der Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und drastischen Kürzungen der öffentlichen Leistungen auf die Stimmung drücken. Besonders die Republikaner sind schnell dabei, die Konzepte von gestern aus der Schublade zu ziehen – drill, Baby drill! – und ihre anti-Klima-Agenda voranzutreiben.
Zunächst, warum sehen wir das Land immer so in Aufregung, wenn die Ölpreise steigen? Nach der Energy Information Administration ist der Preis von Benzin an der Tankstelle von durchschnittlich 3,80 US-Dollar pro Gallone Anfang 2008 auf zwischenzeitlich 1,60 US-Dollar gefallen. Diese Tage sind wir schon wieder bei 3,50 US-Dollar. In Deutschland pendeln die Preise viel weniger, weil die Mineralölsteuer ein Preispuffer ist. Umgekehrt sind in den USA die niedrigen Steuern dafür verantwortlich, dass Auschläge am Weltmarkt wie jetzt durch die Krisen in Ägypten und Libyen voll an den Tankstellen durchschlagen. Die Bundessteuer beträgt 18,4 US-Cent pro Gallone, umgerechnet rund 3,5 Eurocent pro Liter. Hinzu kommen nochmal ein paar Cent in den Bundesstaaten hinzu. Die USA sind ein Billigbenzinparadies, die genau darunter regelmäßig leiden, weil das Land anfällig für externe Preisschocks ist.
Der Benzinpreis ist der Brotpreis der Moderne. Ist die Aufregung in der Bevölkerung groß, beginnt das schwarz Peter Spiel. Für die Republikaner ist der Präsident Schuld. Governeur Barbour aus Missisippi (früher als Lobbyist für die Ölindustrie tätig) wirft der Regierung vor, mit ihrer Politik für erneuerbare Energien und Klimaschutz die hohen Benzinpreise zu verantworten. Habe ich etwas verpasst oder ist das Klimaschutzgesetz etwa doch verabschiedet worden?! Die Demokraten würden sich vor allem deshalb schuldig machen, weil sie die Erschließung neuer Ölfelder verhindern würden und das geringere Angebot den Preis nach oben treibe. Um diese Angriffsflanke gleich zu schließen, erklärt die Regierung, dass unter ihr selbstverständlich die heimische Ölproduktion in den letzten Jahren ausgeweitet wurde.
Aber „drill, Baby drill!“ wird die Amerikaner nicht aus dem Dilemma befreien. Wer über zwei Prozent der weltweiten Reserven verfügt, aber mehr als ein Viertel der Produktion verbraucht, braucht andere Lösungen: Effizientere Autos, neue Antriebstechniken und bessere Mobilitätskonzepte. Ganz abgesehen davon, als ob das größte Umweltdesaster in der Geschichte der Vereinigten Staaten der Unfall der deepwater Horizon nicht stattgefunden hätte. Drill, Baby drill?!
Aber nicht genug, dass die Republikaner der Bevölkerung vorgaukeln, man könne sich teures Benzin einfach billig bohren. Sie behaupten allen Ernstes, dass die Schadstoffbegrenzung von Kraftwerken und Fabriken die Preise mit in die Höhe treibe. Deshalb solle der EPA ihr gesetzlicher Auftrag entzogen werden, CO2 und andere Schadstoffe zu regulieren. Einen entsprechenden Vorschlag haben die Konservativen bereits an den Entwurf zum Haushaltsgesetz gehängt, der diese Tage verabschiedet werden soll. Fraglich, ob sie damit durchkommen. Im Senat haben die Demokraten eine Mehrheit und haben bereits unmissverständlich erklärt, dass das Haushaltspaket von diesem ideologischen Ballast befreit werden müsste, bevor sie zustimmen.