Nach der COP ist vor der COP? Wo stehen wir nach dem Klimagipfel in Durban?

“It always seems impossible until it’s done.“ (Zitat von Nelson Mandela, das auf der COP vielfach verwendet wurde)

Eine Auswertung der Ergebnisse des Klimagipfels in Durban fällt ehrlich gesagt gar nicht so leicht. Und da bin ich wohl nicht die einzige, der es so geht. Viele derjenigen, die ansonsten immer sehr schnell mit Pressemitteilungen und Statements reagieren, lassen sich in diesem Fall ein bisschen mehr Zeit. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich nach einer zuletzt über 30-stündigen fast non-stop Verhandlungsrunde bis in die frühen Morgenstunden am Sonntag erstmal tüchtig ausschlafen müssen. Oder aber es liegt daran, dass in Durban neue Allianzen, Rollenbilder und Interessen sichtbar geworden sind, die sehr komplex erscheinen und eine simple Bewertung nach alten Schemata erschweren.

Relativ einfach ist noch zu sagen, was wir auf dem Papier bekommen haben – mit vielen Abers :

a) Eine Entscheidung zu einer zweiten Verpflichtungsperiode für das Kyoto Protokoll, die von 2013 bis 2017 oder 2020 dauern wird (Länge ist noch offen). Da war bis zuletzt nicht klar, dass es so kommen würde. Die Aussichten für eine Zukunft des Kyoto-Protokolls wurden auch im Laufe der ersten Verhandlungswoche nicht besser, als Kanada seinen Ausstieg aus dem Kyoto Protokoll bekannt gab (jetzt übrigens auch offiziell) und Merkel davor warnte, zu hohe Erwartungen an ein Ergebnis in Durban zu haben.

b) Einen neuen Grünen Klimafonds (Green Climate Fund), in Cancun beschlossen und nun auch bereit, seine Arbeit in 2012 aufzunehmen. Auch diese Entscheidung stand zwischenzeitlich in Durban auf der Kippe. Nun steht der Fonds, Deutschland hat auch 40 Milliönchen Euro gespendet, damit er loslegen kann (und Länder in die Lage versetzen kann, gute Anträge zu stellen). Aber ein klitzekleiner Schönheitsfehler bleibt: Der Fonds ist gähend leer. Es gibt keine Entscheidung über langfristige Finanzierungsquellen. Und was tut man, wenn man nicht weiter weiß? Man gründet eine Arbeitsprogramm und verschiebt die Entscheidung ins nächste Jahr. Schade, dass es nicht zumindest mehr Bewegung in der Frage gab, eine globale Abgabe auf Emissionen des Schiffsverkehrs zu erheben. Und offen bleiben nach wie vor so relevante Fragen wie die Rolle des Privatsektors im Fonds und die Balance zwischen Zahlungen für Klimaschutz und Anpassung. Übrigens: Deutschland bewirbt sich um den Sitz des Sekretariats.

c) Ein Mandat zur Verhandlung eines rechtlichen Abkommens für alle Länder bis 2015, das dann 2020 in Kraft treten soll. Und das war tatsächlich der Punkt, um den bis zuletzt am stärksten gerungen wurde. Im Original heißt es dann:

„Decides that the Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced
Action [die hierfür neu gegründet wurd] shall complete its work as early as possible but no later than 2015 in order to adopt this protocol, legal instrument or legal outcome at the twenty-first session of the
Conference of the Parties and for it to come into effect and be implemented from 2020.“

Und da geht es dann tatsächlich um sprachliche Feinheiten. Die EU – in neuer Einheit mit den ärmsten Entwicklungsländern und kleinen Inselstaaten – wollte unbedingt ein rechtlich verbindliches Abkommen bis 2015, also eines, das völkerrechtlich bindend und durchsetzbar ist (quasi als Pfand füreine zweite Verplfichtungsperiode des Kyoto-Protokolls). Das wiederum aber stieß auf großen Widerstand vor allem bei Indien, wo die Furcht überwog, aufgrund mangelnder Emissioonsreduktionsziele und -ambitionen der Industrieländer stärker in die Pflicht genommen zu werden. Diese Auseinandersetzung um Fragen von Verantwortung, Pflichten und Gerechtigkeitist in Durban mal wieder heiß entbrannt – und nicht nur auf Ebene der Regierungen, sondern auch bei den NGOs. Zwei unterschiedliche Sichtweisen der indischen Zivilgesellschaft auf die Position ihrer Umweltministerin lassen sich z.B. hier nachlesen: CSE und CSM.

Aber wie ist das nun als Gesamtpaket zu bewerten? Einfach gesagt: katastrophal aus Sicht der kleinen Inselstaaten und Afrikas, das die unmittelbaren Folgen der Erderwärmung bereits heute spürt. Das Zwei-Grad-Ziel erreichen wir so nicht mehr. 2020 ist viel zu spät, um den jetzigen Entwicklungspfad zu verlassen. Und die Mechanismen, die nun festgeschrieben sind, um die Reduktionsziele, die derzeit auf dem Tisch liegen, in den kommenden 8 Jahren zu erhöhen, sind auf keinen Fall ausreichend und vor allem nicht bindend. Die dringend notwendige Finanzierung steht ebenfalls nicht.

Andererseits haben wir in Durban so etwas wie den Beginn eines geopolitischen Erdbebens in Zeitlupe erlebt.  Es ist sehr wichtig, dass es eine Entscheidung gab, den rechtlich verbindlichen Charakter des globalen Klimaregimes zu erhalten (so schwach sich das auch in den entscheidenden Texten widerspiegelt). Vor allem, da wir uns seit Kopenhagen immer mehr in Richtung eines Pledge-and-Review Systems bewegt haben, in dem jeder macht, was er will und es keine Durchsetzungsmöglichkeiten auf internationaler Ebene gibt. Und es ist wichtig, dass wir auf ein Abkommen zusteuern, das mittelfristig für alle Länder Ziele und Pflichten enthalten wird. Doch wie genau diese Pflichten, Lasten, Rechte und Chancen verteilt werden, wird die Verhandler/innen und Verhandler im gesamten nächsten Jahr noch massiv beschäftigen.

Die nächste COP findet in einem Jahr in Katar statt. Das klingt irgendwie beunruhigend, wenn man sich vor Augen hält, dass Saudi Arabien als dominante Vormacht in der Region bisher stets eine sehr unrühmliche Rolle in den Klimaverhandlungen gespielt hat. Ein solcher Deal wie in Durban wäre jedenfalls ein Jahr später und in Katar mehr als unwahrscheinlich gewesen. Andererseits ist die Region massiv vom Klimawandel betroffen (u.a. durch Wassermangel und Verwüstung) und hat viel Erfahrung  darin, welche Macht in politischer Mobilisierung liegt. Auf diese Mobilisierung kommt es nun an aber an, wenn wir aus den kargen Leitplanken, die in Durban gesteckt wurden, noch irgend eine Art von Ambition herausholen wollen.  Und dann gibt es 2012 ja noch verschiedene andere politische Prozesse und Foren, in denen Entscheidungen getroffen werden, die von klimapolitischer Bedeutung sind, vom G20 Gipfel in Mexiko über Rio2012 bis zur CBD in Indien…

“After climbing a great hill, one only finds that there are many more hills to climb.” (Nelson Mandela)


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