Transatlantisches Kräftemessen

Foto The|G unter CC BY-NC-ND 2.0.

Der Streit um den Emissionshandel im Luftverkehr eskaliert. Der Europäische Gerichtshof verdonnert US-Airlines zur Teilnahme am EU-System. Für diesen Fall hat die Obama-Regierung bereits vorsorglich Vergeltungsmaßnahmen angekündigt. Es droht ein Kräftemessen – zum Klimaschutz und darüber hinaus.

Der Gerichtshof der Europäischen Union stärkt der EU Kommission im Klima-Streit mit den USA den Rücken. In seinem Urteil [PDF] bestätigt der EuGH, dass die Einbeziehung außereuropäischer Fluglinien am EU-Emissionshandel im Einklang mit internationaler Recht ist wie dem Chicagoer Abkommen oder dem Open Skies Abkommen.  Die entsprechende Richtlinie verstößt weder gegen den Grundsatz der Territorialität noch gegen den Grundsatz der Souveränität der Drittstaaten. Das Urteil erklärt ausdrücklich, dass ein Start- bzw. Landeort in der EU ausreichend sei, um den Flug mit seiner gesamten Strecke in den Emissionshandel mit einzubeziehen.

EU Klimakommissarin Connie Hedegaard zeigt sich mit dem Urteil zufrieden und fordert von den US-amerikanischen Fluggesellschaften, den Urteilsspruch zu respektieren.

Die USA lehnen die Pläne der EU ab – sieht man einmal von den Umweltverbänden ab, die das Urteil als „historisch“ feiern – und sind bereit, den Streit eskalieren zu lassen. In einem geharnischten Brief haben Außenministerin Hilary Clinton und Verkehrsminister Ray LaHood die EU Kommission vor einem weiteren Vorangehen gewarnt und mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht (Süddeutsche Zeitung). Europas Diplomaten in Washington DC reagieren zunehmend sauer auf die Obama-Regierung, die sich ansonsten gerne klimafreundlich gibt. Von ihnen ist zu hören, dass die US-Regierung in den letzten Monaten den internationalen Widerstand gegen die EU-Pläne koordiniert – mit Erfolg. Inzwischen protestieren auch Industrien und Regierungen aus China, Indien und zwei Dutzend weiteren Ländern gegen die Einbeziehung ihrer Fluggesellschaften.

Der US Kongress hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das amerikanischen Airlines die Teilnahme am EU Emissionshandel verbietet. Das Repräsentantenhaus hat die Vorlage bereits im Oktober verabschiedet. Senator John Thune, ein Republikaner aus South-Dakota, hat den Gesetzesentwurf in den Senat eingebracht. Die Industrie trommelt für die Vorlage und wird dafür sorgen, dass etliche Senatoren den Entwurf unterstützen. Ob es für eine 60-Stimmen-Mehrheit reicht, ist offen. Inzwischen scheint es aber nicht mehr so unwahrscheinlich.

Wie geht es nun weiter? Der Emissionshandel beginnt am 1. Januar 2012. Die US Airlines zetern zwar gegen das EuGH-Urteil, aber haben alle technischen Vorbereitungen getroffen, um am System teilzunehmen. Zur Nagelprobe kommt es erst im April 2013, wenn die Zertifikate für das abgelaufene Jahr eingereicht werden müssen. Es bleibt also noch viel Zeit für eine Zuspitzung des transatlantischen Konflikts.  Die USA versuchen in der Zwischenzeit, einen Keil in die EU zu treiben und einzelne Mitgliedsstaaten (mein Bauchgefühl für einen aussichtsreichen Kandidaten: England) dafür zu gewinnen, für ein Aufweichen der EU-Pläne zu sorgen. Etwaige Kompromisse, zum Beispiel das Gesetz auf den eigenen Luftraum zu beschränken, kursieren bereits im Europaparlament (Handelsblatt).

Die Europäer müssen nicht nur entscheiden, wie ernst sie es mit dem Klimaschutz meinen. Der Konflikt geht weit darüber hinaus. Er ist auch ein Kräftemessen, ob sich die Europäer von anderen Staaten vorschreiben lassen, welche Regeln auf ihren Märkten zu gelten haben. Die Attacken von Airlines und Drittstaaten auf die EU seien politisch motiviert, betonte  der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese: „Diese Kraftprobe sollte Europa unbedingt gewinnen.“ Recht hat er.


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