Welche Zukunft wollen wir? Der Zero Draft für Rio+20

„The Future We Want“ („Die Zukunft, die wir wollen“) ist das Motto der großen UN-Konferenz, die im Juni anlässlich des 20. Jahrestages des Erdgipfels ebenfalls wieder in Rio stattfindet. Während das vor knapp zwei Jahren noch als großartige Idee erschien und alle feierten, dass es gelungen war, sich in der UN Generalversammlung auf das Thema „Green Economy“ zu einigen, werden inzwischen die Erwartungen von allen Seiten erheblich gesenkt. Der Mobilisierungsprozess innerhalb der Zivilgesellschaft (außerhalb Brasiliens) läuft auch nur sehr schleppend an. Welchen Fortschritt können wir von einem dreitägigen Treffen der Staats- und Regierungschefs erwarten, die gerade vollauf damit beschäftigt sind, sich aus dem derzeitigen Krisensumpf selbst an den Haaren herauszuziehen?

Der jetzt veröffentlichte „Zero Draft“ – also der erste Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels – gibt eine erste Ahnung davon. Eine schöne Bewertung davon hat übrigens Daniel Mittler für Greenpeace vorgenommen. Der schließe ich mich an, möchte aber noch ein paar Punkte hinzufügen bzw. betonen.

Als erstes fällt mir auf, dass die Schuldzuweisung sehr leicht fällt: Klar, die letzten zwanzig Jahre sind nicht optimal verlaufen. Schuld daran sind aber nicht die politischen Entscheidungsträger/innen oder große Wirtschaftsakteure, sondern die „Multiplen Krisen“. Klingt doch logisch: Wegen der Finanz-, Wirtschafts-, Energie- und Ernährungskrise haben wir es nicht geschafft, Armut und Hunger zu beseitigen. Andersherum würde es aber eher der Wahrheit entsprechen, denke ich.

Die Rio+20-Konferenz hat zwei größere Themenstränge. Der eine heißt korrekt „Green Economy in the Context of Sustainable Development and Poverty Eradication“ (Abkürzung: GESDPE!), der andere dreht sich um die Reform der Institutionen im UN-System, die sich um Umwelt und nachhaltige Entwicklung kümmern.

Green Economy soll als Mittel zum Zweck dienen. Der Zweck bleibt Nachhaltige Entwicklung, das soll nicht durch Green Economy ersetzt werden. Können also die Kritiker/innen der Green Economy Debatte aufatmen? Nein, wohl nicht. Denn einen Kernpunkt der Kritik kann man an diesem Zero Draft anwenden: Das Konzept ist so vage, dass jeder und jede alles darunter verstehen kann und soll. Es wird nicht definiert, was NICHT dazugehört. Sind Atomkraft, Gentechnik und Mega-Staudämme auch Green Economy?

Die Idee der EU für eine Green Economy Roadmap mit Indikatoren und einem Umsetzungsprozess bis 2030 findet sich hier genauso wieder wie die Idee von Sustainable Development Goals, die bis 2015 entwickelt und die MDGs ergänzen und stärken sollen. Wirklich gute und wichtige Ideen – wie z.B. Aufwertung von UNEP zu einer „specialized agency“ – tauchen als Option auf, sind aber keineswegs sicher.

Drei politische Großtrends, die sich auch durch das gesamte Dokument ziehen, halte ich für besonders problematisch:

  • Das Setzen auf freiwillige Selbstverpflichtung statt rechtlicher Verbindlichkeit, hier z.B. beim Waldschutz und generell bei der Umsetzung der nationalen Green Economy Pläne;
  • Das fast blinde Vertrauen auf Investitionen des Privatsektors, um die große Transformation zu finanzieren, da öffentliche Gelder ja angeblich knapp sind (was wir bei Banken- und Eurorettung mal wieder live erleben durften);
  • Die Verwandlung von natürlichen Ressourcen (Wald, Boden, Biodiversität) in „Naturkapital“, das damit handelbar wird und sich in Finanzmarktprodukte umbauen lässt. Das soll nicht nur die Umwelt retten, sondern auch die Finanzwirstchaft.

Und Klima? Was sagt der Zero Draft zur Klimakrise? Sehr wenig und das auch nur in Klammern. Denn das haben wir ja alles bereits in Durban gelöst, remember? Die Staats- und Regierungschefs freuen sich auf die Umsetzung der Ergebnisse von Durban. Das wird zwar noch bis 2020 dauern, aber Vorfreude ist bekanntlich die größte Freude.

 


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