Hoffnung beim Gipfel der Völker?

Gastbeitrag von Thomas Fatheuer

Rio+20 endete mit der schon allgemein erwarteten Enttäuschung. Aber da gab es ja auch noch den “Gipfel der Völker”, die große Parallelveranstaltung in der wunderschönen Bucht von Rio – über 20 km entfernt vom offiziellen Gipfel. Auch hier wurde ein Abschlussdokument verabschiedet (bisher leider nur auf Portugiesisch verfügbar: http://cupuladospovos.org.br/).

Dieses kurze Manifest ist ziemlich allgemein ausgefallen und wirkt eher wie eine Aneinanderreihung von Parolen. Aber es spiegeln sich wichtige Tendenzen des “Gipfels der Völker” in ihm wieder.

Kritik und Ablehnung des Konzepts der Green Economy zog sich wie ein roter Faden durch viele Veranstaltungen und Demonstrationen. Diese gilt als Irrweg und Bestreben, eine Monetarisierung von Natur voranzutreiben. Deutlich wurde die Ablehnung der Green Economy bei einer erregten Diskussion von Vertretern des People’s Summit mit UNEP Chef Achim Steiner.

Ein zweites Merkmal des People‘s Summit war die Dominanz der sozialen Bewegungen und dabei die auffallende Präsenz indigener Gruppen. Ein deutlicher Unterschied zum Global Forum von 1992, das vielmehr von NGOs geprägt war. Allerdings war die brasilianische Übermacht – mit einigen Einsprengseln aus anderen Ländern des Kontinents – unübersehbar.

Die Dominanz der sozialen Bewegungen trug auch zu einer demonstrations – und aktionsreichen Woche bei. Höhepunkte waren Blitzbesetzungen der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES und des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale. Und hier wird das dritte wichtige Merkmal des Gipfels deutlich: nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Weltbank oder internationale Konzern sondern auch brasilianische staatliche oder halbstaatliche Akteure gerieten in den Mittelpunkt der Kritik. Die BNDES hat inzwischen ein größeres Kreditvolumen als die Weltbank und finanzierte so emblematische Projekte wie den Bau des Großstaudamms Belo Monte im Amazonasgebiet.

Damit beginnen aber auch die auffallenden Widersprüche des People‘s Summit: Hauptfinanzier war die so angegriffene brasilianische Regierung durch die Staatsbetriebe Petrobras und Caixa Economica. Auch auf dem Gelände des Völkergipfels war die Präsenz staatlicher Akteure mit aufwendigen Zelten unübersehbar. So gab es in Rio eine seltsame Symbiose zwischen radikaler Kritik an Green Economy und Finanzialisierung der Natur mit den Akteuren staatlicher Entwicklungspolitik in Brasilien.

Aber alles blieb friedlich, sogar bei den Blitzbesetzungen hielt sich die Polizei auffallend zurück. Lieber eine paar besprühte Wände als Bilder von Polizei gegen Demonstrierende. Die Widersprüche des Völkergipfels spiegeln sich in der Abschlusserklärung wieder. Die radikal scheinende antikapitalistische Rhetorik sollte europäische Leser_innen nicht täuschen. Viele strittige Punkte fanden keinen Eintritt in das Schlussdokument: keine Verurteilung von Großprojekten, keinen Kritik an BNDES oder Petrobras, keine Absage an REDD+ und auch kein Nein zur Atomenergie. All diese Punkte waren an einem Veto der Gewerkschaften gescheitert.

Allerdings finden sie sich in den Dokumenten der verschiedenen Plenaria, die auch Teil der Erklärungen des Völkergipfels sind, die aber auch nur auf Portugiesisch einsehbar sind.

Dennoch, alle die Beteiligten und Organisatoren schienen nach dem Gipfel weitgehend zufrieden. Über 300 000 Besucher_innen mögen ein Indikator für den Erfolg des People‘s Summit sein.


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