„Carbon Bubble“: Ein gefährliche Wette auf die europäische Klimapolitik

Ein Beitrag von Dorothee Landgrebe, Referentin Ökologie der Heinrich-Böll-Stiftung

Es ist wie eine Wette auf die Wirksamkeit von Klimapolitik in den nächsten Jahrzehnten: Wer weiterhin in Unternehmen investiert, die fossile Rohstoffe wie Öl, Gas oder Kohle abbauen, der glaubt nicht daran, dass es der Politik in Zukunft gelingen wird, das 2 Grad Ziel durch eine Begrenzung der CO2 Emissionen zu erreichen. Denn dann müssten ein Großteil dieser fossilen Rohstoffe – nämlich mehr als 2/3 der nachgewiesenen Kohle-, Öl-, und Gasreserven im Boden verbleiben (siehe Lili´s Beitrag zu „unburnable carbon“).

Ökonomisch würde es sich dann um sog. „stranded assets“ (gescheitertes Kapital) handeln. Die Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Ausbeutung fossiler Reserven basiert, müssten massiv an Wert verlieren, denn sie könnten ihre jetzigen „Assets“ nicht nutzen. So hat die HSBC, Großbritanniens größte Bank, ausgerechnet, dass Unternehmen wie Shell, BP, Eni, Total oder Statoil 40 bis 60 Prozent ihres Marktwertes verlieren könnten, wenn sie die Rohstoffe, die sie sich gesichert haben, unter der Erde lassen.

Ein anderes Szenario ist ebenso denkbar: die Reserven werden bis zum letzten Tropfen ausgebeutet und gewinnen durch die absehbaren Knappheiten noch an Wert. Auf Letzteres wetten offenbar die TOP 20 der europäischen Banken und die TOP 23 der europäischen Pensionsfonds. In der Studie „The Price of Doing Too Little Too Late“, die die Grünen im Europaparlament in Auftrag gegeben haben, wird untersucht, in welchem Umfang diese in Öl, Gas und Kohle investieren. Das erschreckende Ergebnis: Mehr als eine Billion Euro. Banken investierten in der EU über Kredite, Bonds und Aktien rund 460 Milliarden Euro in die Ausbeutung der fossilen Reserven. Bei den Versicherungen sind es 300 Milliarden Euro, bei den Pensionskassen 260 Milliarden Euro.

Die Studie zeigt: Die Wette ist so oder so riskant und letztlich eine ökonomische Sackgasse. Sie zeigt in drei Szenarien die möglichen ökonomischen Folgen dieser Investitionen, die die notwendige Begrenzung der Erderwärmung komplett ausblenden.

Im Szenario „Low Carbon Breakthrough“, das einen schnellen und ambitionierten Klimaschutz voraussetzt, platzt die spekulative CO2 Blase schnell und würde die europäischen Banken, Versicherungen und Pensionsfunds ca. 350- 400 Milliarden kosten. Besonders gefährdet wären die Finanzsysteme der Niederlande, Großbritannien und Frankreich. Deutschland konnte aufgrund von mangelnder Transparenz leider nicht genauer unter die Lupe genommen werden.

Das zweite Szenario macht deutlich, dass eine langsame und unsichere Transformation zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft noch teurer wird. Auch hier platzt die Blase, weil die Reserven zwar verspätet, jedoch letztlich doch nicht mehr ausgebeutet werden dürfen. Die Kosten erhöhen sich jedoch noch, weil die fossilen Rohstofffirmen durch die Unentschiedenheit der Politik weiter massiv in die Ausbeutung und Entdeckung neuer fossiler Reserven investieren, die sie zum Schluss dann doch nicht mehr nutzen können. Ebenso erhöht die Unsicherheit über den weiteren Pfad die Kapitalkosten.

Das letzte Szenario beschreibt die „Carbon Renaissance“, in der die Reserven über dem klimaverträglichen Budget hinaus ausgebeutet werden. Zwar platzt dann keine Blase, doch es kommt zu einer katastrophalen Erderwärmung mit Fluten, Stürmen, Dürren etc. Gegen diese volkswirtschaftlichen Kosten ist die „Carbon Bubble“ ein Witz.

Die Studie macht eines deutlich: Eine ambitionierte und entschiedene europäische Klima- und Energiepolitik ist nicht teuer, sondern der günstigste Weg, um diese CO2-Blase zu reduzieren, während ein „business-as-usual“ das Risiko und die Kosten für das europäische Finanzsystem erhöht. Indem sie die Entscheidung über die 2030 Klima- und Energieziele verschieben, verwässern und blockieren, tun unsere Regierungen alles, um die CO2-Blase zu nähren.

Derweil sollten wir immer wieder auf diese „Carbon Bubble“ aufmerksam machen und bei unseren Pensionsfonds, Versicherungen und Banken anfragen, wo sie unser Geld investieren. Das großartige Tool Box von 350.org zu „Deinvestment“ sagt uns wie.

 

 

 


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