Gabriels EEG Novelle – ein Kommentar von Dorothee Landgrebe

Am Freitag wurde die EEG Novelle verabschiedet. Dorothee Landgrebe kommentiert Teile der Rede von Sigmar Gabriel im Bundestag:

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, am 27.Juni im Parlament:

„Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir mit der Verabschiedung des vorliegenden EEG den ersten Baustein setzen, um die Energiewende in Deutschland wieder auf ein festes Fundament zu stellen“

Das Gegenteil ist der Fall: Das Fundament wird nicht fester, sondern die Unsicherheit für viele Akteure wird größer. Um nur einige zu nennen:

  • Es werden verbindliche Ausbauziele für Energiequellen wie Wind, Wasser, Sonne und Biomasse eingeführt. Das bringt Planungssicherheit für den Gesetzgeber, aber Unsicherheit für die Investoren. Denn bei Erneuerbaren Energien mit langen Planungsphasen wie z.B. bei der Windkraft, können die Investoren nicht wissen, ob ihr geplantes Projekt noch unter den Deckel fällt und Förderung erhält. Eine Besuchsgruppe aus Israel erzählte mir jüngst, dass solche Deckel in Israel dazu geführt hätten, dass die Investoren sich aus den Erneuerbaren Energien zurückgezogen haben.
  • Ab 2017 soll die Höhe der Ökostromvergütung durch Ausschreibungsmodelle ermittelt werden. Um sich an einer solchen Ausschreibung zu beteiligen, muss man im Vorfeld viel Geld ausgeben, ohne dass klar ist, ob man zum Zuge kommt. Bürger/innen und Genossenschaften, die bisher das Rückgrat der Energiewende bilden, können da nicht mehr mithalten. Profitieren werden die grossen Energieversorger, die über den EU Kommissar Öttinger für eine verpflichtende europaweite Ausschreibungspflicht gesorgt haben.

Zurück zu Gabriel:

„Zur Ehrlichkeit der Debatte gehört, zuzugeben, dass die Energiewende in den letzten Jahren viele offene Baustellen hatte: Es gab beim EEG in wenigen Jahren Kostensteigerungen von mehr als 10 Milliarden Euro. Seit 2010 sind die Kosten um über 200 Prozent gestiegen.

Das stimmt, aber es ist wichtig zu verstehen, warum es zu solchen Kostensteigerungen kam, um zu verstehen, an welcher Stelle eine Reform ansetzen sollte.

Energiewende2.0_Abb.18

Die Graphik zeigt deutlich, dass seit 2010 die EEG Umlage tatsächlich stark von 2,0 Cent pro Kilowattstunde auf 6,2 Cent pro Kilowattstunde gestiegen ist. Grund für die ersten Steigerungen bis 2012 sind tatsächlich die Zubaukosten für Erneuerbare Energien. Absurderweise war ein Erfolg des EEG – rasant sinkende Kosten für Solaranlagen – auch ein Problem. Die Produktionskosten von Solarmodulen sanken in 5 Jahren um 60 Prozent, ohne dass die Vergütungssätze des EEG rechtzeitig angepasst wurden. Zum einen war das gesetzliche Verfahren zu träge, zum anderen scheiterten Versuche der schwarz-gelben Bundesregierung, die Ausbaudynamik rabiat zu brechen, aber auch am Widerstand von Bundesländern, die ihre neu entstandenen Öko-Industrien schützen wollten, und an der Photovoltaik Branche selbst, die um ihre Existenz bangte. In diesem Marktumfeld löste jede von Schwarz-Gelb angekündigte Vergütungskürzung unmittelbar vor dem jeweiligen Stichtag eine regelrechte Solarboom aus.

Wenn überall in Deutschland die Sonne scheint, liefern PV-Anlagen, die in diesen drei Jahren installiert wurden, etwa so viel Strom wie alle 17 deutschen Atomkraftwerke vor der Katastrophe von Fukushima zusammen. Die Eindämmung des PV-Ausbaus gelang der schwarz-gelben Bundesregierung schließlich 2013 – zum Preis, dass zahlreiche PV Unternehmen in Konkurs gingen. Zu teuer für die Stromverbraucher/innen war und ist diese unkontrollierte Ausbauphase der Photovoltaik vor allem, weil die Renditen der Anlagenbetreiber angesichts der abgestürzten Kosten der Solarmodule für einige Jahre viel zu hoch waren, während die Verbraucher/innen diese zu hohen Vergütungssätze weitere 15 und mehr Jahre zahlen müssen.

Doch die gute Nachricht ist, dass dieser Kostenfaktor nicht mehr besteht: Durch den Solarboom gehört PV jetzt gemeinsam mit der Windenergie an Land zu den «Billigmachern » der Energiewende Ihr weiterer Zubau bleibt fast ohne Einfluss auf die Höhe der Umlage. Die letzten Kostensteigerungen von 2013 auf 2014 (von 5,3 auf 6, 2 Cent) gehen weniger auf den Zubau der Erneuerbaren Energien (nur 13 Prozent) zurück, als zu 52 % auf den gesunkenen Börsenpreise und zu 25 % auf gestiegene Firmenausnahmen. Wer sich auf die Fahnen schreibt, die Kosten senken zu wollen, muss hier ran. Doch die Ausnahmen bleiben in der Höhe die gleichen. Und mit den unambitionierten Regierungsvorschlägen zur Reform des Emissionshandels werden die Börsenpreise nicht wesentlich steigen.

„Es waren trotz teuren Ausbaus der erneuerbaren Energien hohe CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken zu verzeichnen“.

Das ist wie berichtet ein großes Problem. Nur wer wie Gabriel glaubt, ohne strukturelle Reform des Emissionshandels oder ergänzende nationale CO2 Instrumente auf nationaler Ebene sei das Problem zu beheben, sorgt dafür, dass die Energiewende weiter durch steigende CO2 Emissionen diskreditiert wird.

„Wir haben einen Strommarkt, von dem keine Anreize mehr zum Neubau moderner Kraftwerke ausgehen“.

Zur Ehrlichkeit gehört, dass in allen Ländern die einen sog. „Energy-only Markt“ haben, der Neubau von Kraftwerken nicht über den Markt finanziert werden können. Das Problem findet sich also auch beispielsweise in USA oder UK, die keine „Energiewende“ haben. Denn wenn ich über den Strommarkt nur die Grenzkosten bezahlt bekomme – das sind die Brennstoffkosten der jeweiligen Energieträger – dann fehlt das Geld für die Investition in neue Kraftwerke.

„Weiter sind ein fehlender Netzausbau und die fehlende Einbindung in den europäischen Strommarkt zu nennen“.

Recht hat er! Das beschreibt nur einige der seit Jahren gestellten, aber auch seit Jahren unbeantworteten Fragen der deutschen Energiewende.

„Viel zu lange haben wir ‑ Politik, Interessenverbände und nicht selten auch Medien ‑ den Eindruck vermittelt, es reiche aus, möglichst schnell erneuerbare Energien auszubauen, dann werde die Energiewende schon klappen. Die Wahrheit ist: Es geht beim Ausbau der erneuerbaren Energien nicht um das Motto „Je schneller, je besser“, sondern das Motto muss lauten: „Je planbarer und je berechenbarer, desto besser“. Das EEG war ein exzellentes Gesetz zur Förderung neuer Technologien. Es war ein sehr gutes Technologiefördergesetz; aber die Zeit der Technologieförderung geht jetzt zu Ende. In der nächsten Phase darf es die heimliche Überschrift des alten EEG, die da lautete „produce and forget“, nicht mehr geben. Es geht jetzt, wo die erneuerbaren Energien nach und nach das gesamte System übernehmen, darum, dass sie auch Systemverantwortung übernehmen müssen.“

Die sog. „Systemverantwortung“ klingt zwar gut, ist aber bei den fluktuierenden Erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind nur bedingt möglich. Die Sonne scheint nur zu bestimmten Stunden und der Wind weht nur zu bestimmten Stunden. Man kann Anreize geben, dass der Standort der Erneuerbaren Energien sich nicht nur auf maximale Ausbeute orientiert, sondern auch auf die Frage, wann die Nachfrage nach Strom am höchsten ist. Das haben die meisten neuen Wind- und PV Anlagen der letzten Jahre schon getan, um von der Marktprämie zu profitieren. Doch Fakt ist: Die Wind und Sonne sind nur bedingt flexibel in ihren Angebotszeiten. Dennoch müssen ab 2016 alle Betreiber von Ökostromanlagen ab 100 kW Leistung ihren Strom selbst vermarkten. Ob das zu einer wesentlich höheren „Systemverantwortung“ führt, wage ich aus oben genannten Gründen zu bezweifeln. Wichtig wäre aus meiner Sicht, dass die steuerbare erneuerbare Energiequelle – die Biomasse – konsequent nur zu Zeiten geringer Nachfrage eingesetzt werden darf.

„In dem komplexen Getriebe der Energiewende müssen die Zahnräder endlich ineinandergreifen. Dafür soll diese EEG-Novelle den ersten Schritt gehen.“

Ich sehe keine wirksamen Anreize für eine Synchronisation von Angebot und Nachfrage des Stroms. Ein Gutachten von Ecofys im Auftrag von Agora Energiewende empfiehlt beispielsweise, die bislang fixe EEG-Umlage künftig an den Spotmarktpreis von Strom zu koppeln. In Stunden mit hohen Spotmarktpreisen müssten dann auch hohe EEG-Umlagen bezahlt werden, in Stunden mit niedrigen Spotmarktpreisen hingegen niedrige EEG-Umlagen.

„Sie schafft einen verlässlichen Ausbaupfad für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Übrigens ist dieser Ausbaupfad entgegen allen öffentlichen Behauptungen außerordentlich ambitioniert.Wir haben heute etwa 25 Prozent erneuerbare Energien am Strommarkt. In weniger als zehn Jahren wollen wir 40 bis 45 Prozent erreichen.“

Fakt ist: Der Zubau von Ökostrom wird gegenüber dem Trend der letzten Jahre halbiert. Schwarz-Rot unterbietet selbst die wenig ambitionierten Ziele der inzwischen abgewählten schwarz-gelben Regierung. Bis 2020 soll es nur etwa 35 Prozent Ökostrom geben – nur zehn Prozent mehr als heute. Damit ließe sich gerade mal der wegfallende Atomstrom ersetzen. Dieser Tritt auf die Bremse nutzt vor allem den Kohlekraftwerken. Ihr hoher Marktanteil bleibt in den kommenden Jahren unangetastet und die teils uralten Kraftwerke blasen weiterhin tonnenweise CO2 und andere Schadstoffe in die Umwelt. Das ist bei dieser Graphik aus Publikation Energiewende 2.0 von Gerd Rosenkranz sehr gut sichtbar:

Energiewende2.0_Abb.24

„Wir haben es in den letzten zehn Jahren nur in einem einzigen Jahr geschafft, mehr als 2,5 Gigawatt Windenergie an Land zu bauen. Das Ziel dieses Gesetzes ist es, jedes Jahr in den nächsten Jahren 2,5 Gigawatt zu bauen. Wer da öffentlich behauptet, wir würden die erneuerbaren Energien ausbremsen, der will das Gesetz verleumden. Mit der Realität hat das nichts zu tun, meine Damen und Herren.“

Was Gabriel hier verschweigt ist, dass beim Windkraftausbau an Land die grün mitregierten Länder die Ziele stark verbessert haben. Und bei diesen Zielen ist unklar, ob sie erreicht werden. Massive Gefahren drohen nämlich durch die neue Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch, die parallel zur EEG-Novelle beschlossen wurde. Hier hat Bayern in der Koalition durchgesetzt, dass die Bundesländer künftig alleine Abstandsregeln für Windkraftanlagen erlassen dürfen – sowohl für Neuprojekte als auch für bereits genehmigte Windkraftflächen. Damit droht zumindest in Bayern der Kahlschlag für den Windkraftausbau. Ob der Zubau dann überhaupt noch in die Nähe des neuen Deckels kommt, ist fraglich.

„Ja, wir senken auch die Kosten“.

Das ist Augenauswischerei: Gabriel setzt die durchschnittliche Vergütung über alle EEG-vergüteten Technologien und alle Generationen von Anlagen zwischen den Jahren 2000 und 2014 (ca. 17 Cent pro Kilowattstunde) in Kontrast mit der von ihr nach der Verabschiedung der EEG-Reform erwarteten Vergütung der im Jahr 2015 installierten Neuanlagen (ca. 12 Cent pro Kilowattstunde). Fünf Cent weniger in nur einem Jahr soll das wohl suggerieren – und das klingt in der Tat beeindruckend, ist es aber nicht. Denn auch die im laufenden Jahr 2014 unter den Kautelen des bestehenden EEG neu installierten Anlagen werden durchschnittlich mit kaum mehr als 12 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Der Durchschnittswert von 17 Cent pro Kilowattstunde, gerechnet über die gesamte Frist seit Inkrafttreten des EEG im Jahr 2000, enthält eben auch die hoch vergüteten Photovoltaikanlagen und Biogaskraftwerke aus den Anfangsjahren des EEG und insbesondere die Hunderttausende PV-Module der Boom-Jahre 2010 bis 2012.

„Vorher aber gehen wir die ersten Schritte zur Marktintegration der erneuerbaren Energien; auch das ist dringend nötig. Denn die erneuerbaren Energien sollen ja am Strommarkt bestimmend sein. Sie können deshalb nicht dauerhaft in einem vom Markt abgeschotteten Sondersystem untergebracht werden“.

Dann muss der Markt auch auf die Erneuerbaren Energien passen. Wie die sich ohne staatliche Vergütung an einem Markt behaupten sollen, der nur die Grenzkosten vergütet, die bei den Erneuerbaren bei Null liegen, lässt Gabriel im Dunkeln.

„Wir sind mit der Energiewende angetreten, um zu zeigen – und zwar nicht nur national, sondern auch international -, dass eine hochentwickelte Volkswirtschaft wie die deutsche es schafft, sich von nuklearer, langfristig aber auch von fossiler Energieversorgung zu befreien, ohne dabei ihren wirtschaftlichen Erfolg zu gefährden. Nur wenn wir zeigen, dass wir dieses Versprechen auch einlösen, werden uns andere folgen. Nur dann macht die Energiewende mit Blick auf den Klimaschutz Sinn. Denn wir können ja kein deutsches Sondermodell entwickeln, sondern wir wollen beispielhaft zeigen, dass Klimaschutz, Sicherung von Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Erfolg zu schaffen und leistbar sind. Das wollen wir in Deutschland hinbekommen. Deshalb ist es so wichtig gewesen, die energieintensive Industrie vor einer steigenden EEG-Umlage zu schützen. Es ist ein großer Erfolg der Bundesregierung, dass wir die Ermäßigung für die energieintensive Industrie und Wirtschaft gesichert haben.“

Wer antritt um die Kosten zu senken und dann einen wesentlichen Kostentreiber nicht angeht, ist unglaubwürdig. Zukünftig sind 90 Prozent des produzierenden Gewerbes – das sind sage und schreibe 219 Branchen – berechtigt, Vergünstigung der EEG-Umlage zu beantragen. Nötig wäre das Gegenteil: ein Abschmelzen der Industrieausnahmen durch die Konzentration auf tatsächlich energie- und außenhandelsintensive Unternehmen in Anlehnung an die EU-Strompreiskompensationsliste. Sie enthält 15 Branchen, die wirklich strom- und außenhandelsintensiv sind. Damit könnte die EEG-Umlage für Privathaushalte und Mittelstand um rund ein Cent pro Kilowatt gesenkt werden. Doch Gabriel schröpft die Stromkunden weiterhin um mindestens fünf Milliarden Euro jährlich, um seine Industrie-Privilegien zu bezahlen. Manche sind gleicher als andere.

„Es ist ziemlich großer Unsinn, das immer wieder gegen die Interessen der Verbraucher/innen auszuspielen. Denn was hilft es eigentlich einem Dreipersonenhaushalt, wenn seine Stromkosten um 20, 30 oder 40 Euro im Jahr sinken, gleichzeitig aber Hunderttausende von industriellen Arbeitsplätzen verloren gehen? Das ist doch eine Milchmädchenrechnung, meine Damen und Herren.“

Das ist Gabriel`s liebste Argumentationsfigur, die so tut, als ob Strompreise für die Mehrheit der industriellen Stromkunden ein wesentlicher Kostenfaktor sind. Fakt ist: Bei neun von zehn Industriebetrieben betragen die Energiekosten weniger als 3% des Umsatzes. Nur bei einer Minderheit ist Strom ein Wettbewerbsfaktor und eine Kostensteigerung würde Arbeitsplätze gefährden. Niemand fordert, dass diese die volle Umlage zahlen müssen.

Energiewende2.0_Abb.7

„Es ist auch kein aus der Luft gegriffenes, plattes Lobbyisten-Gerede der Industrie, sondern bittere Realität, dass schon heute die Investitionen in energieintensiven Branchen deutlich zurückgehen und wir schon heute Arbeitsplätze verlieren. Diesen Trend, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht einfach achselzuckend hinnehmen.“

Das ist erstaunlich, denn die energieintensiven Branchen zahlen so wenig für ihren Strom wie nie zuvor. Denn sie sind von der Umlage und der Ökosteuer befreit und profitieren von massiv gesunkenen der Leipziger Strombörse EEX. Die erreichen Tiefststände, weil die Preise für CO2-Zertifikate im Rahmen des europäischen Emissionshandels weit unterhalb der einst erwarteten Größenordnung dümpeln und weil die wachsende Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien auf die Preise drückt. Wenn wir Arbeitsplätze verlieren, dann sicherlich nicht wegen der Strompreise.

„Im Übrigen zahlt die deutsche Industrie jedes Jahr rund 7,4 Milliarden Euro für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Insgesamt trägt die Wirtschaft mehr als 12 Milliarden Euro. Es ist also Quatsch, zu sagen, dass die Wirtschaft befreit werde, sondern es sind rund 2 000 energieintensive Unternehmen, die wir befreien. Deswegen finde ich diese Art der Verleumdung im Hinblick auf die Befreiung der Industrie einer fairen und intellektuell redlichen Debatte eigentlich nicht angemessen. Umso unverständlicher war es für uns, dass die EU-Kommission am Dienstag der vergangenen Woche und nochmals an diesem Montagmorgen erstmalig und ohne jede vorherige Vorwarnung die Belastungen für die deutsche Wirtschaft in zwei Bereichen drastisch erhöhen wollte. Die EU-Kommission fordert von uns erstens, Stromimporte aus erneuerbaren Energien von der EEG-Umlage zu befreien, und zweitens, alle Bestandsanlagen der Wirtschaft bei der Eigenversorgung nach einer Übergangszeit mit 100 Prozent EEG-Umlage zu belegen“.

Die Forderungen der EU-Kommission sehe ich mit gemischten Gefühlen:

  1. Stromimporte von der EEG Umlage zu befreien, weil die Umlage wie ein unzulässiger Zoll wirke, ist ein existenzieller Angriff auf das EEG. Denn dann könnte jeder seinen Strom über den Umweg ins Ausland wieder reimportieren und dann befreien lassen. Auch die Argumentation ist haarsträubend: Denn eine zollähnliche Schranke kann meiner Meinung nach nur vorliegen, wenn inländischer Strom mit der Umlage nicht belastet würde und eine Ungleichbehandlung von in- und ausländischem Strom vorläge.
  2. Auf Druck der EU wurde jetzt verabredet, dass bestehende Kraftwerke zur Eigenerzeugung bis 2016 von der Umlage befreit sind. 2017 soll es neue Regeln geben, die dann für alle Anlagen gelten – dagegen protestiert die Industrie schon heute, belaufen sich die „gesparten“ Umlagen auf den Eigenverbrauch doch auf rund 2,6 Milliarden Euro, knapp 10 Prozent der EEG-Umlage. Richtig ist es aus meiner Sicht, dass klimaschädlicher Strom aus Kohlekraftwerken nicht befreit werden darf, so wie es Gabriel ursprünglich vorsah. Für klimafreundlichen Strom aus Eigenerzeugung braucht man jedoc einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse, dass möglichst viele zur Umlage beitragen und dass Eigenerzeugung sich lohnen muss.

„In Wahrheit ist das EEG erst der Anfang all dessen, was wir in dieser Legislaturperiode schaffen müssen. Emissionshandel, Kapazitätsmechanismen, KWK-Novelle, Netzausbau, europäische Einbettung, Energieeffizienz: Das sind die einzelnen Bausteine der Energiewende, die wir wieder in ein systematisches Verhältnis zueinander bekommen müssen. Das wird uns die ganze Legislaturperiode über beschäftigen. Zu lange ist zu viel davon liegen geblieben. Deshalb wird es nach der Sommerpause gleich weitergehen. Aber ich bin sicher, dass sich die Arbeit lohnt. Saubere Energie und Klimaschutz, mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und auch die Sicherung und Schaffung industrieller Arbeitsplätze: Das müssen wir miteinander verbinden, und das werden wir miteinander verbinden. Wir fangen jetzt an, aber wir werden die ganze Legislaturperiode damit zu tun haben.“

Nach diesem Aufschlag schwant mir nichts Gutes: Die Gefahr ist, dass Gabriel sich weiterhin als „Wirtschaftsminister“ inzeniert und im Interesse der großen Konzerne handelt: Also Subventionen für Kohlekraftwerke im Rahmen neuer Kapazitätsmechanismen, keine ausreichende Berücksichtigung der Interessen der Bürger und Bürgerinnen bei den neuen Auschreibungsregeln ab 2017, sowie weder eine ambitionierte Reform des Emissionshandels noch nationale CO2 Regeln.

Quelle Graphiken: Energiewende 2.0 von Gerd Rosenkranz.

 


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