Gastbeitrag von Jutta Kill. Erschien zunächst auf www.deutscheklimafinanzierung.de
Ohne die ‘Coalition of Rainforest Nations’ und ihren Mitbegründer Kevin Conrad (ehemals Mitglied der Delegation von Papua Neu Guinea, jetzt Panama) hätte der Begriff “REDD” (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) wohl keinen Eingang in die UN Klimaverhandlungen gefunden. Doch seit der 13. UN-Klimakonferenz in Bali 2007 wirbt die Koalition unnachgiebig dafür, die Reduktion von Entwaldung als Beitrag zum Klimaschutz in UN-Klimaabkommen zu verankern, und eine Finanzierung über den Verkauf von Emissionsgutschriften zu ermöglichen. Insbesondere letztere Forderung war von Beginn an umstritten.
Vordergründig hat die Koalition ihr Ziel im Dezember 2015 erreicht. Das Klimaabkommen von Paris nimmt explizit Bezug auf REDD (Artikel 5.2). Gleichzeitig mehren sich jedoch Stimmen, die postulieren, REDD+ sei passé. “REDD is dead. What’s next?”, überschrieb das Online Portal REDD-Monitor Anfang Februar 2016 einen Beitrag zum Thema (Einzelheiten in englischer Sprach zu den waldrelevanten Passagen im Klimaabkommen hier). Ursache hierfür ist zum einen die fehlende Perspektive für einen internationalen Handel mit REDD+ Emissionsgutschriften, wie ihn Privatsektor und internationale Naturschutzorganisationen wie The Nature Conservancy, Conservation International oder der WWF seit Jahren fordern. Das Klimaabkommen von Paris erlaubt zwar grundsätzlich einen solchen Handel, doch der Verkauf von Emissionsgutschriften (mit der neuen Bezeichnung “internationally transferred mitigation outcomes”) bedarf gemäß des Abkommens der Zustimmung des Landes, in dem sich ein Emissionsgutschriftenprojekt befindet. Die Einschränkung dämpfte die Begeisterung des Privatsektors für den vereinbarten internationalen Handelsmechanismus. Zudem treten die Probleme in der Umsetzung von REDD+ immer deutlicher zutage (siehe die umfassende ‘REDD+ on the Ground’ Studie des renomierten Forschungszentrums CIFOR sowie ‘REDD: A Collection of Conflicts, Contradictions and Lies’ des World Rainforest Movement, eine Sammlung von 24 umstrittenen REDD+ Initiativen): Es fehlt auch nach fast zehn Jahren “REDD+ Readiness” der Nachweis, daß REDD+ ein wirksames Instrument gegen die großflächige Waldzerstörung ist.
Norwegen, Deutschland und Großbritannien recyclen vorherige Finanzierungszusagen
Trotz der wachsenden Kritik finanzieren Industrieländer weiterhin in vergleichsweise großem Umfang den Aufbau von Institutionen und Mechanismen zur Umsetzung von REDD+. In einer gemeinsamen Erklärung wiederholten die Regierungen Deutschlands, Norwegens und Großbritanniens in Paris ihre schon im Vorfeld der Klimakonferenz 2014 in Lima angekündigte Bereitschaft, Tropenwaldländern insgesamt eine Milliarde US Dollar jährlich, oder fünf Milliarden US Dollar über den Zeitraum 2015-2020 zur Verfügung zu stellen. Bedingung für diese Finanzierung: Tropenwaldländer müssen nachweisen, daß Emissionen aus Waldzerstörung auch tatsächlich zurückgegangen sind. Einen glaubhaften Zusammenhang zwischen reduzierter Entwaldung und REDD+ Maßnahmen gibt es bisher für keines der von Deutschland, Norwegen und Großbritannien finanzierten Länder. In Brasilien etwa sank die Entwaldung aufgrund von Maßnahmen, die vor der Einführung von REDD+ getroffen wurden, während offizielle Zahlen für die letzten beiden Jahren sogar wieder einen leichter Anstieg der Entwaldungsrate zeigen. Kein Erfolgsindiz für REDD+.
Nach der 2014 angekündigten Unterstützung von REDD+ Initiativen in Peru und Ekuador stellten Norwegen, Deutschland und Großbritannien 2015 in Paris eine gemeinsame Absichtserklärung zu REDD+ mit Kolumbien vor. Das Land soll 100 Million US Dollar im Rahmen des KfW ‘REDD Early Movers’ Programms erhalten, so es den Nachweis für reduzierte Emissionen aus Entwaldung erbringen kann. Des weiteren erhält der Carbon Fund der Weltbank Forest Carbon Partnership Facility weitere 339 Million US Dollar zur Unterstützung von “zirka fünf neuen großen Emissionsreduktionsprogrammen”. Norwegen kündigt zudem an, seine Unterstützung für Brasilien’s Amazon Fund (ca. 110 Millionen US Dollar jährlich) fortzuführen.
Ob die Finanzierung von umfangreichen Maßnahmen zur “Vorbereitung” von REDD+ jedoch auch in nachweisbarer und langfristiger Reduktion von Entwaldung mündet, bleibt ungewiss. Die bisherige Erfahrung mit REDD+ zeigt, daß das Instrument wenig geeignet ist, die tatsächlichen Ursachen von großflächiger Waldzerstörung anzupacken (siehe Berichterstattung www.redd-monitor.org). Kaum eines der existierenden REDD+ Projekte oder Programme kann bisher den Nachweis glaubhaft erbringen, zur Reduktion von Entwaldung beigetragen zu haben.
Nahrungsmittelkonzerne als mögliche Abnehmer von REDD+ Emissionsgutschriften?
In Paris setzte sich ein Trend fort, der seit Verabschiedung der New York Declaration on Forests im September 2014 zu beobachten ist: Immer mehr globale Nahrungsmittelkonzerne geben Selbstverpflichtungen ab, in denen sie bekunden, ab 2020 für die Herstellung ihrer Produkte keine Entwaldung mehr verursachen zu wollen. Doch während fettgedruckte Überschriften ‘zero deforestation’ ankündigen, stellen sich die Zusagen bei genauerem Hinsehen als Mogelpackung heraus. Statt ‘zero deforestation’ heißt es dann, man wolle netto die Entwaldung für die Herstellung der eigenen Produkte stoppen. Danone, Unilever, Monsanto, M&S, Cargill und andere Mitglieder des Consumer Goods Forum haben solche netto-null Entwaldungserklärungen abgegeben. Netto null ist aber nicht null. Für ihre Produkte werden die Konzerne auch weiterhin Wälder roden lassen und Kleinbauern in ihrer Existenz bedrohen, nur daß sie dies nun unter dem grünen Deckmantel ‘netto null Entwaldung’ tun. Die netto-Null soll dabei unter anderem durch den Kauf von REDD+ Gutschriften erreicht werden, wie etwa Danone bei der Ankündigung des Ziels erklärte, Emissionen in der Produktherstellung auf netto-Null zu reduzieren.
Bäume pflanzen ist kein Waldschutz
Am Rande des Klimagipfels in Paris wurde auch die milliardenschwere “African Forest Landscape Restoration Initiative” (AFR100) vorgestellt. Weltbank (Africa Climate Business Plan), Geberländer wie Deutschland und private Investmentfonds wollen mehr also eine Milliarde US Dollar für die Aufforstung von 100 Millionen Hektar Land in bisher 10 afrikanischen Ländern bereitstellen. Das soll gegen Klimawandel helfen und neue Jobs schaffen. Bisher haben solche Aufforstungsinitiativen jedoch vor allem Konflikte geschaffen, wie etwa in Uganda, Tanzania, Mozambique, Brasilien oder Indien.
Es bleibt die nüchterne Bilanz, daß der Klimagipfel in Paris Wald und Waldvölkern wohl eher schaden als nutzen wird, insbesondere wenn Menschen den Zugang zu 100 Millionen Hektar Land verlieren, auf dem mit finanzieller Unterstützung von Industrieländern und privaten Investitionsfonds ‘Klimaplantagen’ entstehen sollen.