Civic Charter – The Global Framework for People’s Participation

Weltweit nehmen Repressionen gegenüber der Zivilgesellschaft zu, selbst in vermeintlich demokratischen Ländern. Vor allem Organisationen und Aktivist/innen der kritischen Zivilgesellschaft, die sich für Demokratie, Menschenrechte und für soziale und ökologische Gerechtigkeit einsetzen, stehen unter Druck.

Aber auch für Umweltaktivisten und -aktivistinnen wird es gefährlich: im Juni diesen Jahres hat die britische NGO Global Witness ihren aktuellen Bericht zu Morden an Umweltaktivist/innen weltweit veröffentlicht: On Dangerous Ground. Bereits die Zahlen aus den beiden letzten Berichten (Deadly Environment 2013 und How many more? 2014) waren schockierend. Aber 2015 stellt das nochmal in den Schatten: Insgesamt wurden 2015 durchschnittlich drei Menschen pro Woche ermordet, weil sie ihr Land, ihre Wälder und ihre Gewässer gegen große Bergbaukonzerne oder andere destruktive Großprojekte verteidigt haben. Für 2015 dokumentiert Global Witness insgesamt 185 solcher Morde in 16 Ländern – noch nie waren es mehr.

Was kann man tun gegen diesen weltweiten Trend? Darüber diskutieren diese Woche in Berlin Zivilgesellschaftsorganisationen aus aller Welt bei der Global Perspetives 2016 Konferenz. Dort wurde auch gestern die Civic Charter gelauncht.

Diese Charta für politische Teilhabe wurde in umfassenden Beratungs- und Konsultationsprozessen gemeinsam von zivilgesellschaftlichen Akteur/innen aus unterschiedlichen Kontinenten und Ländern entwickelt. Die Charta wurde an unterschiedlichen Orten der Welt – von Neu-Delhi über Nairobi bis Berlin – im Oktober 2016 vorgestellt.

Die Charta soll zivilgesellschaftliche Organisationen wie Aktivist/innen auf der ganzen Welt dabei unterstützen, für ihre Rechte und Handlungsspielräume einzutreten und von den Regierungen Garantien einzufordern.

Sie liegt in zahlreichen Sprachen vor und kann über die Plattform www.civiccharter.org auch weiterhin von Organisationen und Individuen unterzeichnet werden.

Hier der Text der Charta auf Deutsch:

Charta für politische Teilhabe

Wir als Menschen haben das Recht, an der Gestaltung unserer Gesellschaften mitzuwirken

Die Menschenrechte und Grundfreiheiten werden weltweit zunehmend verletzt. In einer wachsenden Zahl von Staaten sehen sich Menschen und ihre Organisationen ernsthaften Einschränkungen unterworfen und werden ihres Rechtes beraubt, an der Gestaltung ihrer Gesellschaften mitzuwirken. Aktivist/innen werden bedroht, angeklagt, verfolgt, eingesperrt, gefoltert und getötet. Zivilgesellschaftliche Organisationen werden stigmatisiert, etwa als ausländische Agenten oder als Extremisten, an ihrer Arbeit gehindert, ihrer Finanzierungsmöglichkeiten beraubt, ihre Arbeit wird verboten, oder sie werden ganz aufgelöst. Zugänge zur Teilhabe der Menschen an öffentlichen Entscheidungsprozessen werden eingeschränkt oder versperrt.

Die Welt wird jedoch ihre bedrohlichsten Herausforderungen, darunter fortdauernde Armut, gewalttätiger Extremismus, wachsende Ungleichheit und Klimawandel, nicht meistern können, solange den Menschen eine echte Teilhabe verwehrt wird.

Die individuelle und kollektive Teilhabe der Menschen erfüllt die Demokratie mit Leben und Sinn. Sie ist unerlässlich für den Schutz der Menschenrechte, die gesellschaftliche Entwicklung und die Schaffung gerechter, toleranter und friedfertiger Gesellschaften. Sie stellt sicher, dass die Inhaber/innen öffentlicher Ämter oder anderer Machtpositionen für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden können und für das Gemeinwohl arbeiten.

Wir weisen jeden Versuch zurück, die Menschen an der Teilhabe der Gestaltung ihrer Gesellschaften, ihrer Länder und unseres Planeten zu hindern.

Die Charta für politische Teilhabe schafft einen Rahmen für die Teilhabe der Menschen

Die Charta für politische Teilhabe gründet auf unserer gemeinsamen Menschlichkeit und spiegelt universell akzeptierte Menschenrechte, Freiheiten und Prinzipien wider. Sie schafft ein Rahmenwerk für die Teilhabe der Menschen, das ihre Rechte dazu im bestehenden internationalen Recht und in internationalen Vereinbarungen verortet.

Es ist unerlässlich, dass alle Regierungen, alle Ebenen öffentlicher Verwaltung, internationale Institutionen, Unternehmen und alle zivilgesellschaftlichen Organisationen weltweit die Bestimmungen dieser Charta uneingeschränkt respektieren und umsetzen.

Um an der Gestaltung unserer Gesellschaften mitzuwirken, haben wir als Menschen folgende Rechte, die überall und unterschiedslos respektiert, geschützt, unterstützt und uneingeschränkt umgesetzt werden müssen:

1. Meinungsfreiheit: Jede/r hat das Recht, die eigenen Ansichten und Ideen zu äußern, zu diskutieren und zu vertreten und die Ansichten anderer zu unterstützen oder abzulehnen.

2. Informationsfreiheit: Jede/r hat freien und zeitnahen Zugang zu allen öffentlichen Informationen.

3. Versammlungsfreiheit: Jede/r hat das Recht, sich friedlich mit anderen zu versammeln, um gemeinsame Ziele und Bestrebungen zu verfolgen.

4. Vereinigungsfreiheit: Jede/r hat das Recht, Organisationen zur friedlichen Durchsetzung gemeinsamer Ziele zu gründen, sich diesen anzuschließen oder sie zu unterstützen.

Um sicherzustellen, dass alle Menschen diese Rechte ausüben können, muss Folgendes gewährleistet sein:

5. Effektive Teilhabe: Die Menschen und ihre Organisationen können wahrhaftig an der öffentlichen Politik und Entscheidungsprozessen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene teilhaben und sie beeinflussen

6. Finanzielle Unterstützung: Die Menschen und ihre Organisationen sind frei, finanzielle Unterstützung zu erreichen oder zur Verfügung zu stellen, sowohl im eigenen Land als auch im Ausland.

7. Möglichkeiten der Zusammenarbeit: Die Menschen und ihre Organisationen sind frei, sowohl national als auch international miteinander in Dialog zu treten und zusammenzuarbeiten.

Diese Rechte können rechtmäßig geltend gemacht, solange damit nicht die Rechte anderer verletzt werden oder zu Hass, Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgerufen wird oder diese gefördert werden.

Um zu gewährleisten, dass die Zusammenarbeit zwischen den Menschen, ihren Regierungen und den öffentlichen Institutionen uns allen den größtmöglichen Nutzen bringt, müssen folgende Grundsätze eingehalten werden:

8. Schutzpflicht: Jede Regierung stellt sicher, dass die Menschen und ihre Organisationen ohne Verfolgung, Folter oder Gefahr für Leib und Leben mitwirken können und nicht für die Wahrnehmung grundlegender Rechte und Freiheiten kollektiv bestraft werden.

9. Fördernde Rahmenbedingungen: Jede Regierung ergreift legislative, administrative und andere Maßnahmen, um die in dieser Charta genannten Rechte und Freiheiten zu achten, zu gewährleisten, zu fördern und umzusetzen, und untersucht Angriffe auf Einzelne und
Organisationen, um Tatverdächtige gemäß den internationalen Rechtsstandards vor Gericht zu bringen.

10. Öffentliche Rechenschaft: Regierung, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen sind der Allgemeinheit gegenüber verantwortlich.

Unsere persönliche und kollektive Verantwortung

Weltweit streben Menschen und ihre Organisationen nach Gerechtigkeit und Menschenwürde. Ihr Engagement ermöglicht es uns, zusammen die gemeinsamen Herausforderungen zu meistern Gleich, ob wir in der Regierung, in der Wirtschaft oder in zivilgesellschaftlichen Organisationen tätig sind, es ist unsere gemeinsame Verantwortung, zu einer friedlichen, gerechten und nachhaltigen Zukunft für alle beizutragen und diese zu sichern.

Als Unterzeichnende

fordern wir, dass alle Regierungen und ihre Behörden sämtliche internationalen Übereinkünfte und Abkommen achten, gewährleisten, fördern und umfassend umsetzen, die die Rechte der Menschen auf Teilhabe begründen, und wir fordern die Wirtschaft, zivilgesellschaftliche Organisationen, internationale Einrichtungen und andere Akteure auf, ebenfalls in Übereinstimmung mit diesen Vereinbarungen zu handeln

verpflichten wir uns, das Recht auf zivilgesellschaftliche Teilhabe, wie es in dieser Charta niedergelegt ist, zu verteidigen und zu sichern

stehen wir für alle Menschen solidarisch ein, deren Rechte auf Teilhabe bei der Mitwirkung an der Gestaltung ihrer Gesellschaften verletzt werden.


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