Deutschlands Rohstoffsektor wird ein bisschen transparenter: zur Veröffentlichung des ersten D-EITI Berichts

Am 23. August 2017 hat Deutschland seinen ersten EITI-Bericht veröffentlicht: 1. D-EITI-Bericht – Bericht für 2016. Das Ganze geht auf einen Beschluss der Bundesregierung vom Juli 2014 zurück. Im März 2015 nahm eine Multi-Stakeholder-Gruppe (MSG) die Arbeit auf.

Das Forum Umwelt und Entwicklung ist im Auftrag des AK Rohstoffe, einem rohstoffpolitischen NGO-Netzwerk in Deutschland, zivilgesellschaftliches Mitglied der MSG. Weitere Mitglieder der Zivilgesellschaft kommen von Transparency Deutschland, dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, der Open Knowledge Foundation und der IGBCE.

Hintergrund zur Extractive Industries Transparency Initiative (EITI)

Die Ausbeutung von Rohstoffen geht weltweit häufig mit Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Umweltzerstörung einher. Zugleich ist kaum ein Wirtschaftssektor so korrupt, wie die Bergbau-, Öl- und Gasindustrie. Undurchsichtige Deals zwischen Unternehmen und politisch Verantwortlichen tragen dazu bei, dass Zahlungen versickern und hohe Kapitalsummen aus den Förderländern abfließen, statt der Bevölkerung zugute zu kommen. Politische Entscheidungen fallen dann häufig nicht im Interesse der Allgemeinheit. Durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung verlieren beispielsweise afrikanische Staaten jährlich Einnahmen von über 50 Milliarden US-Dollar. Für mehr als die Hälfte dieser Steuertricks und illegalen Finanzaktionen sind Unternehmen im Rohstoffsektor verantwortlich.

Ziel der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) ist es, durch die Offenlegung von Zahlungsströmen im Rohstoffsektor Korruption und Bestechung zu verringern und Steuerhinterziehung vorzubeugen. Das Grundprinzip: die Regierungen in den EITI-Mitgliedsländern legen ihre Einnahmen aus dem Rohstoffsektor offen, und die Bergbau- und Erdöl-/Erdgasunternehmen, die in dem jeweiligen Land arbeiten, veröffentlichen im Gegenzug ihre Zahlungen an die Regierung. Dieser Zahlungsabgleich ist Teil eines jährlichen Transparenzberichts, den jedes EITI-Land veröffentlichen muss. Ein zweiter Berichtsteil liefert zudem Kontextinformationen über die Funktionsweise des nationalen Rohstoffsektors. Sie geben beispielsweise Aufschluss über Art und Umfang des Rohstoffabbaus, die Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, den Rohstoffexport oder den Beitrag des Rohstoffsektors zur Volkswirtschaft.

Die EITI wird mittlerweile von über 50 Ländern umgesetzt oder vorbereitet. Gesteuert wird die freiwillige Initiative sowohl auf internationaler Ebene als auch in den EITI-Umsetzungsländern durch Multi-Stakeholder-Gruppen, in denen Regierung, Industrie und Zivilgesellschaft paritätisch vertreten sind.

Deutschland ist größter Braunkohleförderer weltweit. Gleichzeitig ist es als Industrieland vom Import vieler weiterer Rohstoffe abhängig. Deutschland steht damit in der Verantwortung, neben der Transparenz in den Zahlungsströmen auch die sozial-ökologische Rechenschaftsablegung im Rohstoffsektor sowohl im eigenen Land als auch international voranzutreiben.

Die MSG hatte sich für den ersten Bericht die Ziele gesetzt, mit einem innovativen Prozess einen Mehrwert zu schaffen und zur Weiterentwicklung des globalen Standards beizutragen. Ist das erreicht?

Eine Vorreiterrolle kann Deutschland dabei nur in Anspruch nehmen, wenn die deutsche EITI-Umsetzung über die bestehenden gesetzlichen Transparenzregeln der EU hinausgeht, die eine verbindliche Offenlegung der Zahlungen großer und börsennotierter Rohstoffunternehmen an Regierungen weltweit vorsehen. Denn: Nachdem die Vorgaben der Transparenz- und –Bilanzrichtlinien der EU 2015 in deutsches Recht (BilRUG – Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) umgesetzt wurden, müssen Rohstoffunternehmen, die an der Frankfurter Börse gehandelt werden oder die ihren Sitz in Deutschland haben, ab 2017 über ihre Zahlungen weltweit berichten. Dies umfasst Zahlungen an Regierungen durch Erdöl-, Erdgas- und Bergbauunternehmen sowie Unternehmen, die Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben. Die Offenlegung muss sowohl nach Ländern als auch nach Rohstoffprojekten aufgeschlüsselt sein und erfasst alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Bergbau und der Erdöl-/Erdgasförderung. Mehr dazu hier.

Blöderweise kommen aber die ersten BilRUG-Berichtszahlen erst für 2017 und damit Ende diesen Jahres – also zu spät für den ersten D-EITI Bericht… Das Ergebnis ist eine recht maue freiwillige Beteiligung von Unternehmen am ersten D-EITI-Bericht: „Von den identifizierten 48 Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen, die der Unabhängige Verwalter entsprechend den Vorgaben der MSG identifiziert hat, haben bisher insgesamt 12 Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen am Berichtsprozess im Zuge der Erstellung dieses EITI-Berichts teilgenommen.“ Die anderen hatten wohl kein Interesse bzw. sehen kein Sinn darin. Schade eigentlich!

Und was die Weiterentwicklung des Standards angeht… Na ja – ehrlich gesagt, sind da einigen Länder in ihren Berichten und was sie dort aufnehmen bereits viel weiter als Deutschland. In den Philippinen z.B. hat die Zivilgesellschaft erreicht, dass Steuervergünstigung und -ausnahmen im Bericht aufgeführt werden, mit dem Argument, dass der EITI Standard die Offenlegung von Steuerzahlungen (disclosure of tax payments) insgesamt verlangt, ob diese nun positiv oder negativ (wie im Fall der Subventionen) ausfallen. In der Mongolei berichtet die EITI über Kompensationszahlungen bei Umweltzerstörung. Trinidad und Tobago gibt sogar Informationen zum CO2-Ausstoss seiner Firmen – im D-EITI-Bericht taucht das Thema „Klima“ gerade mal im Kontextbericht auf (und das nur am Rande und nur auf großen Druck der Zivilgesellschaft!). Länder wie Ghana, Guniea oder Kolumbien machen ihre Verträge öffentlich zugänglich.

Im Fazit lässt sich festhalten: Der Mehrwert eines Zahlungsabgleichs hält sich in Grenzen, wenn das Plus gegenüber gesetzlichen Vorgaben (BilRug) nur im Abgleich der Zahlungen liegt, nicht aber über Breite und Tiefe hinausgeht. Und der Kontextbericht liefert keinen Mehrwert, wenn die Darstellung nicht über allgemeine Formulierungen hinausgeht und noch nicht mal bereits vorliegende Informationen und Daten (z.B. die Darstellung der Rückstellungen, Übersicht über Wasserentnahmeentgelte) genutzt werden dürfen.

Trotz einige kleiner Erfolge (z.B. bei der Aufnahme der naturschutzrechtlichen Eingriffregelung / Kompensationsmaßnahmen in den Bericht) hielt und hält sich die Begeisterung für eine Beteiligung am D-EITI-Prozess  in der deutschen Zivilgesellschaft jedenfalls sehr in Grenzen – was unter anderem an den knappen bzw. teils komplett fehlenden Ressourcen und Kapazitäten liegt, um einen solchen Prozess auch wirklich fachgerecht und professionell zu begleiten. Wenn dann zudem der Mehrwert gering ist, ist das sehr verständlich.

Diejenigen, die sich in der deutschen Zivilgesellschaft für mehr Transparenz im Rohstoffsektor einsetzen, machen sich eben mehr Sorgen über das Verhalten deutscher Unternehmen im Ausland als über mögliche Zahlungsunregelmäßigkeiten im heimischen Rohstoffsektor. Wenn es der Bundesregierung also ernst ist mit der professionellen Beteiligung der Zivilgesellschaft auf gleicher Augenhöhe mit Industrie und Politik, dann gilt es auch, über die Verteilung von Ressourcen und Kapazitäten zu sprechen!

Übrigens: Am 6. September 2017 wird im BMWi eine Veranstaltung der Bundesregierung zum ersten D-EITI Bericht stattfinden.

Und: Im Rahmen der Alternativen Rohstoffwoche (16.-22.10.2017) wird das Forum Umwelt und Entwicklung gemeinsam mit weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft am 19. Oktober 2017 eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Mehr Durchblick beim Rohstoffabbau? Der erste EITI-Transparenzbericht in Deutschland“ ausrichten. Hierbei soll es auch darum gehen, wie progressiv die deutsche EITI-Umsetzung im internationalen Kontext zu sehen ist.


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