Zivilgesellschaft bekräftigt Forderung nach internationalem Verbot von Geoengineering
Ein Beitrag von Linda Schneider und Lili Fuhr, Heinrich-Böll-Stiftung
In der vierten UN-Umweltversammlung, UNEA-4, die in dieser Woche in Nairobi tagt, ist ein Vorstoß für weitergehende Schritte, Regulierung von Geoengineering-Technologien auf UN-Ebene zu etablieren, am massiven Widerstand einiger hochemittierender, ölproduzierender Regierungen gescheitert. Die Schweiz, zusammen mit 11 weiteren Ländern aus unterschiedlichen Regionen, darunter Mikronesien, Senegal und Neuseeland, hatte einen Resolutionsvorschlag vorgelegt, der einen Bericht mandatieren sollte, der Informationen zum Stand der Forschung, den Risiken und möglichen Regulierungsoptionen zusammentragen sollte. Nach beinahe zwei Wochen kontroverser Verhandlungen zog die Schweizer Regierung die Resolution am Mittwochabend zurück, weil trotz intensivsten Bemühungen keine Einigung abzusehen war.
Der Ausgang der UNEA-Verhandlungen ist bedauerlich, weil er aufgezeigt hat, wie stark sich gerade diejenigen Regierungen, die Geoengineering-Forschung und -projekte im eigenen oder im Interesse der fossilen Industrie vorantreiben, gegen stärkere Kontrolle und Regulierung sträuben. Und das, obwohl es zu diesem Zeitpunkt lediglich um eine Begutachtung von Geoengineering-Technologien, ihren Risiken und Regulierungsmöglichkeiten ging – von rechtlich bindenden Vereinbarungen war dieser Resolutionsentwurf also weit entfernt. Dennoch hätte er, unter den richtigen Vorzeichen, den Ausgangspunkt bilden können für Regulierungsansätze unter der UNEA, dem höchsten UN-Gremium in Umweltfragen.
Die dringende Notwendigkeit, diese Risikotechnologien international zu regulieren, bleibt somit bestehen. Denn: Die Erforschung und Entwicklung von Geoengineering-Technologien wird aktuell bereits massiv vorangetrieben – durch Forschungsprogramme, Freilandexperimente und Pilotprojekte, durch finanzielle Anreize von staatlicher Seite und durch massive Investitionen aus Silicon Valley, der fossilen Industrie sowie der Bergbauindustrie.
Eine internationale Debatte, wie diese Risikotechnologien mit planetaren Auswirkungen effektiv und restriktiv reguliert werden können, sollte also besser früher als später beginnen – und keinesfalls erst, wenn die voranschreitende Technologieentwicklung bereits Fakten geschaffen hat.
Die gute Nachricht ist dennoch: Das 2010 in der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) beschlossene Moratorium auf Geoengineering hat unverändert Bestand, ebenso wie die Regulierungsansätze für marines Geoengineering im London Protocol des London-Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung (LP/LC). Letzteres verbietet bereits die sogenannte Meeresdüngung aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf die marine Umwelt und hat einen Bewertungsgerüst etabliert, mit dem weitere Technologien des marinen Geoengineerings zukünftig reguliert werden können. Der erst diese Woche erschienene neue Bericht der GESAMP-Expertengruppe zum Schutz der marinen Umwelt legt erneut eine kritische Bewertung von Technologien des marinen Geoengineerings vor, auf die weitere Regulierungsschritte folgen könnten.
Um den großmaßstäblichen, vielschichtigen Risiken, die mit Geoengineering einhergehen – neben Risiken für Klimawandel(politik) sind tiefgreifende Auswirkungen und Risiken für Biodiversität, Ökosysteme, Ernährungssicherheit, Menschen- und Landrechte und internationale Sicherheit absehbar – gerecht zu werden, braucht es die sinnvolle Zusammenarbeit und aktive Einbeziehung verschiedener relevanter UN-Institutionen mit unterschiedlicher Expertise und Mandat.
Die Gegner/innen der Resolution bei den UNEA-Verhandlungen hatten aber anderes im Sinn. Insbesondere die USA und Saudi Arabien argumentierten, dass sich vor allem und allein der Weltklimarat IPCC in seinem nächsten großen Sachstandsbericht (AR6) dem Thema umfassend und ausreichend widmen würde. Jedoch ist in Anbetracht seines Mandats und seiner Expertise primär zu Fragen des Klimawandels klar, dass der IPCC keinesfalls alle Risikodimensionen dieses Themas abdecken kann und wird.
Zudem kommt ein Großteil der Literatur, die absehbar in den 6. Sachstandsbericht des IPCC einfließen wird, aus dem Kreis der sogenannten „Geoclique“ – einer Gruppe von Forscher/innen, die seit Jahrzehnten zu Geoengineering forscht, teilweise Patente auf einzelne Technologien hält und/oder anderweitige Eigeninteressen darin verfolgt. Und nicht zuletzt: Einer der beiden Coordinating Lead Authors (also der primären Kapitelverantwortlichen) des Geoengineering-Kapitels im 6. Sachstandsbericht ist ein Vertreter von Saudi Aramco, dem saudischen Ölunternehmen – dem nebenbei größten Ölproduzenten der Welt. Das wirft ernsthafte Fragen nach Interessenskonflikten und Objektivität der Bewertung auf, die der IPCC in diesem Zusammenhang erstellen wird.
Eine umfassende und ausgewogene Beurteilung muss die tiefgreifenden und multiplen Risiken von Geoengineering für die internationale Gemeinschaft und die lokale sowie globale Umwelt einbeziehen. Ihr Ausmaß sprengt ganz klar den Rahmen von Klimawissenschaft und -politik. Damit ist das Thema (allein) im IPCC und der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) nicht gut aufgehoben.
Es braucht dafür auch die aktive Beteiligung und Anerkennung der Positionen der Zivilgesellschaft und insbesondere auch derjenigen Bevölkerungsgruppen, die potentiell von den Risiken am stärksten betroffen sind.
Die internationale Zivilgesellschaft bekräftigt daher ihre Forderung nach einem internationalen Verbot von Geoengineering. Basierend auf den existierenden Moratorien und Regulierungsansätzen in der CBD und dem LP/LC sowie dem im internationalen Umweltrecht verankerten Vorsorgeprinzip sollten sich gerade diejenigen Regierungen, die sich aktuell in der UNEA-4 für eine stärkere Kontrolle und restriktive Regulierung eingesetzt haben, nun konsequent die nächsten Schritte hin zu einem Verbot auf UN-Ebene gehen.