Fracking in Deutschland: Wirklich verboten, ein bisschen erlaubt oder sogar bald wieder en Vogue?

Ein Gastbeitrag von Andy Gheorghiu, Campaigner & Consultant für Klima- und Umweltschutz

Viele Menschen weltweit glauben, dass Fracking in Deutschland verboten ist. Diese Auffassung wird auch von Aktivist*innen für Klima- und Umweltschutz geteilt und als positives Beispiel promotet. Leider ist dies aber nicht ganz richtig. Fracking ist sogar explizit ein bisschen erlaubt in dem Land, das sich gerne mal international mit einer grünen Klimaplakette schmückt. Zudem besteht die Gefahr, dass bereits nächstes Jahr die tatsächlich existierenden Restriktionen gelockert oder schlimmstenfalls gar aufgehoben werden könnten.

Nach langen Verhandlungen und starkem Widerstand aus der Bevölkerung hatte der Bundestag im Juni 2016 ein Fracking-Regelungspaket, bestehend aus drei Gesetzen und drei Verordnungen, beschlossen. Hiermit wollte man Fracking in Deutschland regeln sowie insbesondere das Trink- und Grundwasser schützen. Die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks feierte die Einigung von SPD und CDU sogar als „unbefristetes Verbot des sogenannten unkonventionellen Frackings“.

Die Frage an dieser Stelle lautet also: Wie sieht der aktuelle Rechtsrahmen in Deutschland aus und wieviel Fracking ist wirklich verboten?

Fracking: Was ist das eigentlich?

Hydraulic Fracturing (hydraulisches Aufbrechen), kurz „Fracking“ genannt, ist ein technisches Verfahren der Öl- und Gasindustrie zur Förderung von Kohlenwasserstoffen aus sogenannten unkonventionellen Lagerstätten. Die Lagerstätten werden unkonventionell genannt, weil das Gas (oder Öl) in geologischen Formationen (meistens Schiefer-, Ton-, Sandgesteinen sowie Kohleflöze) gebunden ist und die Freisetzung zwecks Förderung der „Stimulation“ durch „Frakturierung“ der geologischen Formation bedarf.

Über Tiefbohrungen wird zunächst vertikal (ein bis fünf Kilometer) und dann teilweise horizontal in geologische Schichten gebohrt. Anschließend werden unter Hochdruck Millionen Liter mit Sand und Chemikalien (sogenanntes Frack-Fluid) gemischtes Wasser, in den Untergrund gepresst. Hierdurch werden Risse in den Gesteinsschichten erzeugt oder erweitert, um so die Förderung von Erdöl und Erdgas zu ermöglichen oder zu verbessern.

Dadurch, dass die reichhaltigen und leicht zugänglichen Öl- und Gasvorkommen sich weltweit dem Ende neigen, wird es sehr wahrscheinlich nicht mehr lange dauern bis die Förderung von Kohlenwasserstoffen nur noch mittels Fracking möglich ist.

Zum Weiterlesen:

Eine gute Erklärung zun Thema Fracking gibt es z.B. bei Frack Free Rocks (auf Englisch) oder auch beim Umweltbundesamt.

Kunstbegriff „konventionelles Fracking“

Zeitweilig bis 2021 verboten sind nur sogenannte „kommerzielle, unkonventionelle Fracking-Vorhaben“. Damit hat die Bundesregierung das Verfahren in ein sogenanntes „konventionelles Fracking“ in Sandsteinschichten und ein „unkonventionelles Fracking“ in Schiefergesteinen und Kohleflözen aufgespalten. Das Fracking in Sandsteinschichten ist also weiterhin explizit erlaubt.

Damit wollte man den Bürger*innen suggerieren, dass es einen Unterschied zwischen „gutem“ und „schlechtem“ Fracking gibt. Dabei resultieren die Kunstbegriffe „konventionelles Fracking“ bzw. „unkonventionelles Fracking“ einzig und allein aus dem weltweit einzigartigen, unseriösen Versuch, Tight-Gas (im Sandstein gefangenes Erdgas) den konventionellen Lagerstätten zuzuordnen.

Dies, obwohl seit Beginn der Debatte u.a. auch ExxonMobil, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlamentes und viele weitere mehr Tight-Gas-Lagerstätten als unkonventionelle Lagerstätten definiert hatten und haben.

Schiefergasressourcen und Erdgasverbrauch

Hintergrund für die Einführung des Kunstbegriffes „konventionelles Fracking“ war vor allem die künstliche Aufrechterhaltung der zum Niedergang verurteilten Erdöl-/Erdgasförderung in Niedersachsen, dem „Texas Deutschlands“. Laut dem Jahresbericht „Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2019“ deckt die inländische Erdölförderung mittlerweile „kaum mehr zwei Prozent des Bedarfs“, der Anteil der Erdgasförderung am deutschlandweiten Verbrauch „verringerte sich deutlich – auf inzwischen sechs Prozent“.

Laut dem 2016er Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) „Schieferöl und Schiefergas in Deutschland“ betragen die „konventionellen Erdgasressourcen und -reserven (inklusive Tight Gas) rund 100 Mrd. m³, wobei die technisch förderbaren Schiefergasressourcen in Deutschland im Mittel bei 800 – 940 Mrd. m³ liegen sollen. Der Erdgasverbrauch 2019 lag bei rd. 92 Mrd. m³. Im besten Fall würden also die Schiefergasressourcen den derzeitigen jährlichen Verbrauch für rund 10 Jahre decken können.

Industrialisierung und Wasserbrauch

Berechnungen des Umweltbundesamtes zufolge (2014) wären 48.000 Bohrungen auf 9.300 Quadratkilometer nötig, um das geschätzte Schiefergas-Potenzial in Deutschland zu erschließen.

Das Problem: erst nach dem flächendeckenden „Abfracken“ der betroffenen Regionen würde man wissen, was wirklich aus dem Boden zu holen wäre. Darüber hinaus würde der immense Wasserverbrauch zu einer Konkurrenzsituation mit dem Bewässerungs- und Wasserbedarf der Landwirtschaft führen.

Das Umweltbundesamt führt dazu aus: „Der (…) Wasserbedarf bei der unkonventionellen Gasförderung (sowohl Schiefer- wie Tightgasförderung) übersteigt in einigen Regionen Niedersachsens den vielfach schon heute als kritisch angesehenen Wasserbedarf für die landwirtschaftliche Beregnung so deutlich, dass an dieser Stelle eine hohe Wahrscheinlichkeit von Nutzungskonflikten zwischen Erdgasförderung und Landwirtschaft zu konstatieren ist. Dies, zumal mit fortschreitendem Klimawandel und zunehmend trockeneren Sommern auch die Notwendigkeit von landwirtschaftlicher Beregnung in heute noch weniger dürregefährdeten Regionen zunehmen wird.

Expertenkommission und Lücken im Rechtsrahmen

Obwohl die vielfältigen negativen Auswirkungen und Risiken, die mit der Fracking-Technik verbunden sind, mittlerweile ausführlich dokumentiert sind, hat die Bundesregierung dennoch beschlossen, die vermeintlich „bestehenden Kenntnislücken beim unkonventionellen Fracking zu schließen“.

Hierfür sind bis zu insgesamt vier Erprobungsmaßnahmen im Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder Kohleflözgestein zulässig. Damit diese wissenschaftlich begleitet werden, hat die Bundesregierung ebenfalls die Einrichtung einer Fracking-Expertenkommission beschlossen. Bislang haben jedoch die einzigen für Fracking-Forschungsbohrungen in Schiefergestein in Frage kommenden Bundesländer Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen diese Projekte auf Grund des öffentlichen Drucks strikt abgelehnt.

Die Expertenkommission Fracking setzt sich zusammen aus je einem/r Vertreter/in der folgenden Institutionen:

  1. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe,
  2. Umweltbundesamtes,
  3. vom Bundesrat benannt: Vertreter/in eines Landesamtes für Geologie, das nicht für die Zulassung der Erprobungsmaßnahmen zuständig ist,
  4. Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum,
  5. Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig sowie
  6. vom Bundesrat benannt: Vertreter/in einer für Wasserwirtschaft zuständigen Landesbehörde, die nicht für die Zulassung der Erprobungsmaßnahmen zuständig ist.

Die Kommission ist für die wissenschaftliche Beratung des Bundestages zuständig. Sie hat die Öffentlichkeit über ihre Arbeit zu informieren und hat ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Die Kommission soll auch dem deutschen Bundestag jährlich zum 30. Juni einen Bericht über die Auswirkungen der Fracking-Technik auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, vorlegen. Bereits nächstes Jahr soll der Bundestag auf der Grundlage „des bis dahin vorliegenden Standes von Wissenschaft und Technik“ die Angemessenheit des Fracking-Verbots überprüfen.

Der vorgelegte Berichtsentwurf 2020 verdeutlicht jedoch, dass die sogenannte „Expertenkommission“ wesentliche Punkte ignoriert und auf veraltete Informationsquellen vertraut. Die Kommission übernimmt nicht nur unreflektiert den unseriösen Kunstbegriff des „konventionellen Frackings“, sondern lässt auch die bestehenden wesentlichen anderweitigen Lücken im aktuellen Rechtsrahmen unkommentiert.

Bereits 2016 hatten Umweltorganisationen Stellung zum Fracking-Gesetzespaket genommen und u.a. darauf hingewiesen, dass auf Grund der Formulierung des jetzigen Rechtsrahmens unmittelbar angrenzend zu und unterhalb von Naturschutzgebieten gefrackt und auch giftiges Lagerstättenwasser (sog. Flowback) verpresst werden kann. Bei der beabsichtigten Förderung von Tight-Gas/Öl und Schieferöl könnte evtl. sogar innerhalb von eigentlich geschützten Natura-2000-Gebieten gefrackt und das bei der Förderung an die Oberfläche mitgeförderte Fracking-Fluid (sog. Flowback) verpresst werden. Entsprechende Pufferzonen zu den sensiblen Gebieten sind nicht definiert. Weitere sensible Gebiete werden nicht aufgeführt.

Klimawirkung von Erdgas und Ablehnung des Frackings durch UN-Institutionen

Als besonders problematisch muss der Umstand gewertet werden, dass die Expertenkommission auf einen völlig veralteten Faktor zur Berechnung der CO2-Äquivalente von Methan verweist. Gemäß den aktuellen Zahlen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist der Treibhauseffekt von Erdgas in den ersten 20 Jahren bis zu 87mal stärker und in den ersten 100 Jahren bis zu 36mal stärker als der von CO2. Die Expertenkommission nutzt in ihrem Entwurf jedoch weiterhin den veralteten Faktor 25 um die CO2-Äquivalente von Methanemissionen – die zudem noch lediglich als Schätzwerte von der Industrie geliefert werden – zu berechnen. Damit wird die signifikant negative Klimarolle von Erdgas verschleiert.

Wenn nämlich neben den beim Verbrennen entstehenden CO2-Emissionen auch die bei Förderung, Transport und Lagerung anfallenden Methanleckagen berücksichtigt werden, fällt die Klimabilanz von Erdgas – insbesondere von gefracktem Erdgas – so schlecht wie die von Kohle aus. Gemäß einer aktuellen Studie von Prof. Howarth, Cornell Universität, Ithaca, NY, USA, ist die Schiefergas- und ölförderung für rund 33% des gesamten weltweiten Anstiegs an Methanemissionen verantwortlich und trägt damit wesentlich zur Erderwärmung bei.

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Unangesprochen bleiben im Berichtsentwurf auch die mittlerweile vorliegenden Bewertungen des Frackings durch internationale Institutionen. Im Oktober 2018 gab der UN Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) eine offizielle Warnung bezüglich des Fracking von Schiefergas in Argentinien heraus. Im Abschlussbericht heißt es: „Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass das Hydraulic Fracturing-Projekt den Verpflichtungen des Vertragsstaats zum Pariser Abkommen widerspricht – mit negativen Auswirkungen auf die globale Erwärmung und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Weltbevölkerung und künftiger Generationen“.

Im März 2019 forderte der Ausschuss der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) die britische Regierung auf,„ die Einführung eines umfassenden und vollständigen Verbots von Fracking in Betracht zu ziehen“ um insbesondere Frauenrechte im ländlichen England zu schützen.

Solange also diese signifikanten Aspekte nicht adressiert oder gar falsch dargestellt werden, kann der Bericht der Expertenkommission nicht als seriöse Grundlage für eine Entscheidung des deutschen Bundestages hinsichtlich des Fracking-Rechtsrahmens dienen.

Vielmehr braucht es einer klaren Empfehlung für ein zeitunabhängiges und komplettes Fracking-Verbots in Deutschland. Bis 2021 bleibt also noch einiges Arbeit zu leisten. Auch wenn es noch ´ne Weile anstrengend wird, die Zukunft wird es uns danken.

Mach mit!

Schick eine Stellungnahme zum Berichtsentwurf 2020 der Expertenkommission Fracking bis 17.06.20, 12 Uhr mittags an ptj-expkom-fracking@fz-juelich.de

Eine Muster-Stellungnahme findest du hier: Muster-Stellungnahme_BerichtExpertenkommission2020.


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