Die E-Frage

Ewie Equity. Gleichheit und Gerechtigkeit. Eine Frage die wir Ökos rhetorisch gerne hochhalten im Klimaschutz. Doch vor deren Konkretisierung wir uns jenseits von Sonntagsreden meistens gedrückt haben. Mit der Begründung, das sei zu kompliziert, dafür gäbe es keine Mehrheiten, etc.

Und doch drückt die Frage mit Macht auf die Tagesordnung. Denn ohne eine explizite Behandlung der E-Frage für ein Klimaregime nach 2012 wird man eines opfern: Entweder den Anspruch, den Klimawandel noch in tolerierbaren Grenzen zu halten (unter 2 Grad über vorindustriellem Niveau), oder den Anspruch, dass ein Klimaregime auch den Entwicklungsländern gegenüber gerecht sein wird.

Mit dem Berliner Mandat von 1995, das die Verhandlungen für das Kyoto-Protokoll startete, wurde Gerechtigkeit in diesem Kontext so buchstabiert: keine bindenden Verpflichtungen für Entwicklungsländer. Das Motto hiess: Der Norden geht voran und irgendwann, ja irgendwann, schliessen sich die Entwicklungsländer an. Dieser Deal bricht sich jetzt an zwei harten Realitäten:

1) der Norden ist nicht vorangegangen. Mit wenigen Ausnahmen hat er seine Emissionen gesteigert, z.T. massiv.

2) Wir haben keine Zeit mehr. Denn aufgrund der Versäumnisse der Vergangenheit müssen sehr bald auch in Entwicklungsländern die Emissionen stabilisiert und reduziert werden, wenn wir unter 2 Grad globaler Erwärmung bleiben wollen.

Die Kyoto-Formel für Gerechtigkeit funktioniert nicht mehr. Und die Umwelt-Community wird sich entscheiden müssen: Halten wir an dieser Formel fest (keine Verpflichtungen für Entwicklungsländer), auch wenn wir damit die 2 Grad-Grenze aufgeben? Das hiesse „Gerechtigkeit“ auf Kosten der Umwelt.

Oder verlangen wir von Entwicklungsländern kostenintensive Maßnahmen zum Klimaschutz, auch wenn sie nicht für den Klimawandel verantwortlich sind und auch noch unverändert sehr arm sind? Das hiesse „Klimaschutz“ auf Kosten globaler Gerechtigkeit.

Es gibt einen Ausweg aus diesem Dilemma: Wer für den Klimawandel verantwortlich ist, und die technischen und finanziellen Möglichkeiten zu seiner Bekämpfung hat, der muss Klimaschutz leisten – nicht nur „zuhause“, im eigenen Lande, sondern auch andernorts, in den armen Ländern. Wir hier in Europa haben nicht nur eine Verpflichtung, bis 2020 unsere Emissionen um 30% zu reduzieren. Sondern wir müssen darüber hinaus in großem Maßstab den Entwicklungsländern (inkl. China) finanziell und technologisch bei der Umsetzung von Klimaschutz helfen.

Das wird zu teuer, ist nicht durchsetzbar? Billiger sind die 2 Grad nicht zu halten, und ist ein globales Klimaabkommen nicht zu haben.

Wie man sich das praktisch vorstellen kann, dazu hat sich EcoEquity mit der Unterstützung von Christian Aid und Heinrich-Böll-Stiftung ein paar Gedanken gemacht. Lesen sie dazu unsere Publikation „The Right to Development in a climate-constrained World„. Kommentare sind willkommen.

Unrealistisch? Realismus heisst, das Notwendige möglich zu machen.


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