Substanz oder Greenwash: welche Schlupflöcher drohen?

greenwashHeute, zu Beginn des Klimagipfels in Kopenhagen, ist noch unklar, wieviel Substanz, wieviel Show er bringen wird. Die Heinrich Böll Stiftung hat in Kooperation mit Germanwatch zum Start der Konferenz ein Hintergrundpapier vorgelegt, das aufzeigt, was in einem fairen und klimapolitisch wünschenswerten Abkommen von Kopenhagen drinnen stehen sollte. Aber auch, welche Schlupflöcher und Tricksereien drohen, das Abkommen zu verwässern.

Die folgenden vier Schlupflöcher sind es, die sich momentan abzeichnen, in das Abkommen reinverhandelt zu werden. Wenn das geschieht, wird Kopenhagen zur größten Greenwash-Show der Geschichte.

Gefahr Nr. 1 für ein Greenwash-Abkommen: Es werden nur Langfristziele vereinbart, ohne auch Kurzfristziele festzulegen. Es kann sein, dass in Kopenhagen zwar ein 2-Grad-Limit und unverbindliche Langfristziele mit viel schönen Worten verkündet werden, aber dass die gleichzeitig verbindlich vereinbarten Kurzfristziele für 2020 dann deutlich hinter der in Kopenhagen gesetzten Messlatte zurückbleiben. Doch verbindliche Kurzfrist-Reduktionsziele sind der einzige realistische Weg für das Erreichen von Langfristzielen.

Gefahr Nr. 2 für ein Greenwash-Abkommen: Es werden Schlupflöcher vereinbart, die die Emissionsziele durch die Hintertür untergraben. Nach dem derzeitigen Verhandlungsstand muss leider mit erheblichen Schlupflöchern gerechnet werden Danach wären selbst die zu niedrigen Reduktionsziele der Industrieländer nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Zum einen ist jede Menge „heiße Luft“ (hot air) im System, das heißt Emissionsreduktionen die schon längst erfolgt sind – in den Ländern des ehemaligen Ostblocks nach dem Fall der Mauer, und nun weltweit aufgrund der Wirtschaftskrise. Zudem besteht die Gefahr, dass die Industrieländer die Anrechenbarkeit von Kohlenstoffsenken im Forst- und Landwirtschaftssektor selbst definieren dürfen. Dies würde es ihnen etwa ermöglichen, neugepflanzte oder zuwachsende Wälder auf das eigene Ziel anzurechnen, zugleich aber den Verlust von Senken durch abgeholzte und genutzte Biomasse nicht in ihr Ziel einbeziehen zu müssen. Insgesamt belaufen sich diese Schlupflöcher auf 10-20 Prozent. Wenn also die derzeit angekündigten Emissionsziele der Industrieländer in Summe gerade mal 12-20% ausmachen, könnten sie durch die Schlupflöcher auf zwischen 4 Prozent Emissionswachstum und im günstigsten Fall 11 Prozent Reduktion verringert werden. Solche Schlupflöcher helfen nicht dem Klima, aber sie helfen den Regierungschefs, der Weltöffentlichkeit hohe Zahlen zu präsentieren und doch wenig tun zu müssen.

Gefahr Nr. 3 für ein Greenwash-Abkommen: Das Abkommen wird nur „politisch verbindlich“ vereinbart, nicht „rechtlich verbindlich“. Der Begriff „politisch verbindlich“ ist eine Nebelkerze. Ein „politisch verbindliches“ Abkommen würde den politischen Willen sozusagen in ein Sieb gießen, durch das er schnell heraus fließen kann: Spätestens bei einem Regierungswechsel wäre ein Staat nicht mehr daran gebunden. Ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen hingegen würde den Willen in einen Eimer gießen, um ihn auf Dauer transportieren zu können. Wenn am Ende der Klimakonferenz ein politisch verbindliches Abkommen steht, wäre das ein Greenwash, weil es der Öffentlichkeit ein Sieb als Eimer verkaufen wollte.

Gefahr Nr. 4 für ein Greenwash-Abkommen ist, dass Länder sich überhaupt nicht auf gemeinsam verhandelte Ziele einigen, sondern lediglich ein „Pledge and Review“ anbieten. Jedes Land würde dann einfach seine Vorstellungen für Klima- und Finanzziele auf den Tisch legt und diese würden von allen anderen Ländern akzeptiert werden. Dann finden aber eigentlich gar keine Klimaverhandlungen mehr statt. Der Sinn des multilateralen Ansatzes, dass alle mitmachen und sich alle weiter bewegen, als sie dies sonst täten, ginge völlig verloren. Wenn dann noch die rechtliche Verbindlichkeit der Versprechungen fehlt, wird keine Dynamik, sondern Frustration und Stillstand ausgelöst.

In Kopenhagen muss die Menschheit einen großen Schritt nach vorne machen. Wenn sie dabei eins oder mehrere der genannten Schlupflöcher vereinbart, wird es nicht gelingen. Die Medien und die Weltöffentlichkeit dürfen sich nicht von Feuerwerk und Nebelkerzen täuschen lassen. Es lohnt sich, um jedes Zehntelgrad zu kämpfen!

Quelle Foto: davidcoethica.wordpress.com. Mit Creative Commons Lizenz.


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