Dirty Air Act: Attacke auf die EPA

Eine der großen Unbekannten der Klimadebatte in der USA ist die Frage, welche Rolle die Umweltagentur EPA zur Regulierung von Treibhausgasen spielen wird. Zur Erinnerung: Noch unter Präsident George W. Bush entschied der oberste US-Gerichtshof im Fall Massachusetts vs. EPA, dass die Agentur nach geltender Rechtslage dazu verpflichtet ist, CO2 zu regulieren.

Seitdem ist klar: Sollte der Kongress kein Klimagesetz verabschieden, muss die Obama-Regierung auf dem Verordnungswege aktiv werden und CO2-Grenzwerte für Kraftwerke und Fabriken festlegen. Jetzt kommt Feuer ins Spiel. Angesichst der ungewissen Aussichten, ob ein Klimagesetz verabschiedet wird, wollen mehrere Politiker das Luftreinhaltegesetz aushöhlen und die EPA in ihrer Kompetenz beschneiden. Das verkompliziert die ohnehin unübersichtliche Gemengelage im Senat weiter.

Teile der Wirtschaft, insbesondere die Interessenverbände von Big Oil und die Handelskammer, machen gegen die EPA mobil. Sie malen das Horrorbild an die Wand, dass die Umweltagentur die Wirtschaft drangsalieren wird. Als verlängerter Arm dieser Lobby macht die republikanische Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska auf sich aufmerksam. Mit ihrem (von den Umweltverbänden getauften) „Dirty Air Act“ will die Senatorin das Luftreinhaltegesetz stutzen. Absurd, denn gerade Alaska leidet heute schon unter dem Klimawandel. Allein 12 Dörfer werden wegen drohender Erosion und tauender Böden für rund $2,4 Mrd. aktuell umgesiedelt, die nächsten 20 stehen bereits auf der Liste.

Zwar sind sich Demokraten und Republikaner einig, dass eine EPA-Regulierung teuer, bürokratisch und deshalb suboptimal ist. Deshalb sieht auch jeder Entwurf eines Klimagesetzes vor, dass mit seiner Verabschiedung der EPA diese Authorität genommen werden soll. Doch die Klimapolitiker geben diesen Joker nicht leichtfertig aus der Hand. Mit der jetzigen Gesetzeslage ist die EPA ein Dorn im Auge für jeden Politiker, der sich der Kohlelobby und anderen Großemittenten verpflichtet sieht. Das gilt auch für Demokraten, die aus Bundesstaaten mit hohem Kohleanteil kommen. Einer von ihnen ist Senator John Rockefeller aus West Virginia, der diese Tage seinen eigenen Gesetzentwurf vorstellt. Er hat zum Ziel, dass die EPA zwar weiter CO2 regulieren dürfe, allerdings nicht die Emissionen von Kraftwerken. Unter Murkowskis Gesetzentwurf müsste die EPA sogar im letzten Jahr neu eingeführte CO2-Standards für PKW wieder zurücknehmen.

Um Murkowski und die industriellen Scharfmacher zu beruhigen, hat EPA-Chefin Lisa Jackson jüngst ein Friedenssignal gesendet. In einem Brief an acht demokratische Senatoren versicherte Obama’s oberste Umweltschützerin, dass ihre Behörde behutsam vorgehen und sich in einem ersten Schritt im Jahr 2011 auf das Anlagenrecht von Großemittenten (>25.000 t CO2 pro Jahr) beschränken würde, was rund 400-500 Anlagen in der USA entspräche. Ob das als Beruhigungspille reicht, darf bezweifelt werden.

Der Druck im Kessel steigt. Einerseits auf die Regierung und die demokratische Führung im Kongress, von einer CO2-Regulierung per Verordnung Abstand zu nehmen. Andererseits auf die fossile Industrie und ihrer verlängerten Arme im Kongress. Selbst wenn es gelänge, eine Mehrheit gegen die EPA zu organisieren, kann Obama das Gesetz mit einem Veto stoppen. Die wachsende Nervosität dürfte die Kompromissbereitschaft beim Klimagesetz erhöhen. Bei der Wahl zwischen einem vom Kongress verabschiedeten (und von Lobbyisten gut zu beeinflussenden) Klimagesetz oder der von allen parlamentarischen Vorgängen unabhängigen Regulierung durch die EPA würden sich nicht wenige der Lobbyisten für das Klimagesetz entscheiden. Schließlich bereitet sich die EPA schon sehr detailliert auf den Ernstfall vor wie die New Republic berichtet.


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