Energiekonzept der Bundesregierung – Deutschland regt sich auf

Kohlekraftwerke werden jetzt noch mehr gefördert. Zumindest wenn sie CCS-fähig sind und nicht den großen vier Konzernen gehören (unklar ist jedoch, was bei Beteiligungen ist). Klingt vielleicht nach harter (und v.a. teurer) Auflage, aber „CCS-fähig“ bedeutet nur, die EU-Vorgabe um zu setzen, dass neben den Kraftwerken eine Freifläche für eine evtl. spätere Abscheidungsanlage existiert. Völlig irrelevant ist aber, wann, ob, und wie teuer CCS (=Kohlendioxidabscheidung) je funktionieren wird. Das ist toll für die „vier Besatzungsmächte“ (E.On, RWE, Vattenfall und EnBW), aber sch****e für das Klima.

Im Gespräch war auch gewesen, dass alte Kohlekraftwerke mit niedrigem Wirkungsgrad zeitnah abgeschaltet werden müssen. Doch das wurde dann gestrichen. Wo kämen wir denn da hin, Klimaschutz zu betreiben! 🙁 Es könnte sogar noch dicker kommen! Der Abgeordnete Hermann Ott bekam in der Sondersitzung des Umweltausschusses keine richtige Antwort auf eine wichtige Frage, ob es denn weitere deals gäbe, etwa zur Atomkraft, twitterte er. Es gibt also viel zu kritisieren. In der Bevölkerung brodelt es.

Wie wird das in den Medien wiedergegeben?

Klimaretter Nick Reimer schreibt, dass Energiekonzept sei „in der Seele Konservatismus pur“. Agesehen vom „sozialistischste[n] aller Gesetze“, dem EEG, sei die deutsche Energiewirtschaft der Hort der anti-progressiven Ideologie. Nach dem Verlust von 16% Strommarktanteil habe die EVU-Lobby „der Demokratisierung der Energiewirtschaft“ wohl effektiv einen Riegel vorgeschoben.

Ganz anders und wesentlich unkritischer die BILD-Zeitung. Diese hatte den schwarz-grünen Minister Röttgen schon zuvor als „Störfall“ bezeichnet und freut sich nun über Mehreinnahmen für Kommunen. Wenn es mal so einfach wäre… Dabei brächten mehr Erneuerbare viel höhere Einnahmen für die Kommunen!

Die ähnlich rechte WAZ schreibt sogar: „Jenseits allen Streits um die Atomkraft und ihre Risiken existiert in Deutschland nun ein vorzeigbarer Plan für den Ausstieg aus dem Öl-Zeitalter.“ Hingegen hat die „Evangelische Kirche […] das Energiekonzept der Regierung ungewöhnlich scharf kritisiert“ (siehe Zeit). Die Süddeutsche Zeitung sprach in Anlehnung an die mit fünf Ministern gut besuchte (aber inhaltlich unterbelichtete) Pressekonferenz zum neuen Energiekonzept gestern vom „Pentagramm des Grauen“. Belustigend merkt sie an, wie die Minister sich in leeren Superlativen überboten hätten: Es sei das „anspruchsvollste, das konsequenteste, das konkreteste, kurz das beste Energiekonzept“ überhaupt, sei an Floskeln zu hören gewesen, obwohl sich jedenfalls für die Süddeutsche deutlich der Unterschied zwischen „Schein und Sein“ zeige.

Die Frankfurter Allgemeine, sicher kein Kind von konservativer Traurigkeit, berichtete immerhin über das „umstrittene“ Paket und den Versuch der Regierung, Zweifel auszuräumen. Vertrauen in das eigene Lager sieht anders aus. Kritisch ist sie auch über die Sicherheit von Biblis B, welches von der Regierung soeben noch eine Lebensverlängerung erhalten hat.

Das Wirtschaftsorgan Financial Times Deutschland ist da wiederum glücklicher, spricht von einem „Meilenstein“ und betont, dass die Konzerne das Konzept loben. Was sie nicht sagt! Zugleich werden die Chefs der größten Profiteure der Entscheidung zitiert – versteckte Kritik oder Beweis einer unkritischen Ideologie?

Skeptisch zeigt sich hingegen mal der Spiegel, welcher in der letzten Woche selber noch (zumindest auf dem Titelblatt) den Kampf gegen die Erneuerbaren ausgerufen hatte: Eine „Koalition auf Speed“ freut er sich über die mangelnde Einigkeit beim Energiekonzept. Doch der Koalitionsschelte (die bei Leser_innen ja immer gut ankommt), folgt wenig inhaltliche Kritik. Ganz anders die SPD-nahe Frankfurter Rundschau, diese spricht teilweise sogar von „zu ehrgeizigen“ Zielen und schreibt von einer „Regierung unter Strom.“ Dass es sich dabei hautpsächlich um Atomstrom handelt, wird nicht deutlich…

Wie schön, dass es da die taz gibt. Hier kann ich ausufernd Kritik zum Energiekonzept nachlesen, ein wahrer Stichwortzettel für jede_n Oppositionspolitiker_in.

Viele Stimmen in den Medien reagieren also nicht so, wie ich mir den „Mainstream“ wünschen würde: aufgeregt, bestürzt, schockiert und wütend. Die weit über 100.000 Menschen am 18.9. in der Berliner Innenstadt haben aber auch gezeigt, dass es nicht nur mein Gutmenschen-Blickpunkt sein kann. Die Bewegung gegen Merkels Lobbyarbeit ist breit und groß. Doch anscheinend noch nicht in allen Redaktionsräumen angekommen.