Während in Deutschland die Atomlobby um die Restlaufzeiten ihrer alten Meiler schachert, wird in der USA das Revival der Atomkraft eingeleitet. Dieses Bild wird jedenfalls gern von der US-Atomlobby gezeichnet. Doch am Markt könnte kein einziges AKW ohne staatliche Subventionen im Wettbewerb bestehen. Man möchte meinen, dass die von Präsident Obama angekündigten Bürgschaften in Milliardenhöhe ausreichen müssten, um den in der Planung befindlichen Projekten neues Leben einzuhauchen. Doch die jüngsten Entwicklungen deuten darauf hin, dass es selbst in der USA nicht zu einem Revival kommt. So berichtet die New York Times, dass der neu geplante Reaktor in Calvert Cliffs im Bundesstaat Maryland vor dem Aus steht. Dem Investor Constellation sei die Vertragsabschlussgebühr für die Inanspruchnahme der staatlichen Bürgschaft über 7,6 Mrd. US-Dollar zu teuer. Die Aktienmärkte belohnen die Entscheidung, der Kurs von Constellation steigt daraufhin. Der Economist fürchtet gar, dass Homer Simpsons seinen Job verlieren könnte…
Heute ist das Land mit 100 Reaktoren das grösste Atomland der Welt. Doch seit dem Reaktorunglück in Harrisburg im Jahr 1979 haben die USA keine neuen AKWs mehr gebaut (unmittelbar nach dem Unglück wurden nur noch die letzten angefangenen Bauten zu Ende geführt). Die Branche arbeitete 20 Jahre vor sich hin und versuchte in der Öffentlichkeit das Bild einer sauberen, sicheren und billigen Energieform abzugeben. Mit Erfolg. Im politischen Mainstream der USA ist die Atomkraft inzwischen parteiübergreifend als fester Teil im Energiemix akzeptiert. Unter Präsident George W. Bush wurden in 2005 neue Bürgschaften zugesagt. Die Branche feierte die Zusage als Wende zum Wiedereinstieg in neue Kraftwerke. Seitdem werden eine Handvoll Projekte vorangetrieben, allen voran an bestehenden AKW-Standorten im Südosten der USA.
Die Meldungen über das Aus von Calvert Cliff sind eine denkbar schlechte Nachricht für die Atomlobby. Sie bestätigen das Ergebnis eines neuen Reports von Michele Boyd (Physicians for Social Responsibility), die für die Heinrich-Böll-Stiftung in Washington DC der Frage nachgeht: Kommt es in der USA zu einer Renaissance der Atomkraft? Die klare Antwort lautet nein. Wall Street finanziert schon längst keine AKWs in den USA mehr, weil das Geschäft als viel zu riskant gilt. Selbst mit staatlichen Milliarden-Bürgschaften sind neue AKWs nicht finanzierbar.
Foto: AKW in Calvert Cliffs, Maryland von Wikipedia unter Wikimedia Commons License.