Sicherheit und Klimaflucht im UN-Sicherheitsrat diskutiert

“Konflikte um knapper werdendes Land und Ressourcen sowie daraus folgend eine steigende Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen stellten eine ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens dar.” (Quelle: UN-Vertretung der BRD)

Ein UNHCR-Flüchtlingscamp in Ifo (Dadaab) in Nordost-Kenia © UNHCR / E. Hockstein
Ein UNHCR-Flüchtlingscamp in Ifo (Dadaab) in Nordost-Kenia © UNHCR / E. Hockstein

Den rotierenden Vorsitz im UN-Sicherheitsrat (UN-SC) hat derzeit die Bundesrepublik inne, und Außenminister Guido Westerwelle ließ sich diese Bühne nicht nehmen. Er erschien persönlich in New York um die deutsche Schwerpunktsetzung vorzustellen. Neben Afghanistan und Kindern in Konfliktgebieten sollte der Klimawandel zum zweiten Mal nach 2007 (damals unter britischer Ägide und kurz nach Bushs Einsehen, dass es Klimawandel überhaupt gibt) auf die Tagesordnung. Es kam aber anders als gedacht.

Der abschließende Beschluss bestärkte die Kompetenz der UN Generalsversammlung (UN-GA) in dieser Frage und beauftragte lediglich den den UN Generalsekretär Ban-Ki Moon und alle Unterorgane der UN, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen (PM der deutschen Vertretung in New York). Besonders die kleinen Inselstaaten hatten indes gefordert, dass der UN-SC sich grundsätzlich stärker engagieren soll. Für sie ist der Klimawandel bereits heute eine Sicherheitsfrage, denn es geht um die Sicherung ihres Überlebens. Einige gingen daher so weit, eine eigene Klima-Schutztruppe der UN aufbauen zu wollen – so genannte „Green Helmets“, in Anlehnung an die UN-Blauhelme. Große Staaten wie Russland oder China wollten aber die Frage nicht im Rahmen des UN-SC weiter diskutieren. Russland kritisierte die Masse an Themen auf der Agenda des UN-SC, lediglich darf Ban-Ki Moon die Folgen des Klimawandels in seinem Jahresbericht erwähnen – was er aber schon längst tut. Der indische Botschafter Hardeep Singh Puri fügte dem ganz realistisch hinzu, der UN-SC „does not have the wherewithal to address the situation“ – es gibt einfach nicht genug Geld um sich diesem Thema (im SC) anzunehmen. Peter Wittig, der deutsche UN-Botschafter, hob dennoch lobend hervor, dass diesmal der UN-SC nicht nur auf Opfer reagierte, sondern präventiv tätig war. Meines Erachtens eine Verdrehung der Tatsachen, da es einerseits derzeit schon tausende von Hungertoten im Horn von Afrika gibt – auch auf Grund des Klimawandels. Andererseits ist präventiv nichts unternommen worden, als nur ein weiterer Aufruf auf dem geduldigen Papier der UN. Vielleicht wäre mehr passiert, wenn Zeugen des Klimawandels direkt im Gremium zu Wort gekommen wären?

Die Frage ist aber auch, was hätte geschehen sollen. Von der m.E. abwegigen Ideen der „Grünhelme“ – gegen wen würden diese eingesetzt werden? Gegen die USA, gegen Flüchtlinge oder gegen den Meeresspiegelanstieg? – liegt wenig konkret vor. Während einige Stimmen eine eigene Konvention für Personen, weleche durch den Klimawandel vertrieben werden (pdf), ähnlich der UNFCCC, fordern, sind andere skeptisch. Eine Anerkennung des Flüchtlingsstatus könnte die Genfer Flüchtlingskonvention aufweichen. Das Problem ist, dass es keine eigentliche „Klimaflucht“ gibt, sondern dass der Klimawandel ein sog. „threat multiplier“ ist (und als solcher auch u.a. vom Pentagon anerkannt wird), d.h. er verstärkt bestehende Gefahren zum Teil enorm, aber er ist nicht alleiniger Grund für Migration und Flucht. In Somalia sehen wir das heute leider wieder sehr deutlich. So sind die Dürren dort an sich kein Novum, doch ihre Intensität und Häufigkeit nimmt zu. Hinzu kommt aber auch die marode Agrarinfrastruktur und der lange Bürgerkrieg. Schuld an der Misere hat nicht zuletzt der Westen, welcher oft erst dann Spenden und Nothilfen schickt, wenn es bereits viele Tote gibt.

Doch vielleicht geht es überhaupt nicht so sehr um Klimaflüchtlinge, sondern um etwas ganz anders? So wollte Guido Westerwelle um „ein umfassendes Verständnis des Sicherheitsbegriffs […] werben – und dabei auch ausdrücklich eine ökologische Komponente einzubeziehen“ (Quelle). Den internationalen Klimaschutz mittels „Versicherheitlichung“ auf die Tagesordnung der Staaten zu stellen, welche nicht sofort negativ von den Folgen wie Dürre oder Fluten betroffen sind (z.B. die Staaten Mitteleuropas), macht strategisch Sinn. Doch führt ein Sicherheitsdiskurs auch immer zur Frage, wie denn Schutz (für die eigene Bevölkerung und die nationalen Interessen) organisiert werden kann. Wenn diese Frage dann aber nicht konsequent mit „Vermeidung von CO2-Emissionen“ und „Hilfe bei der Anpassung und Transformation im Süden,“ sondern mit neuen Mauern, Frontex und LiveAid-Konzerten beantwortet wird, dann sollten wir uns noch einmal fragen, wer eigentlich von diesem Diskurs am Ende profitiert. Bisher scheint die wahre Dringlichkeit noch nicht bei allen angekommen zu sein…

Oh the foes will rise

With the sleep still in their eyes

And they’ll jerk from their beds and think they’re dreamin‘.

But they’ll pinch themselves and squeal

And know that it’s for real,

The hour when the ship comes in.

(Strophe aus “The hour when the ship comes in”, von Bob Dylan)