ADP Verhandlungen in Warschau: Ambitionen bis 2020 kaum in Sicht

Heute mittag haben hier in Warschau bei der COP 19 die beiden Vorsitzenden der ADP Arbeitsgruppe (Ad-hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action) eine Bestandsaufnahme zum Ende der ersten Woche gemacht: Wo stehen die Verhandlungen zu den beidenvereinbarten Arbeitssträngen (Workstream I: das geplante globale neue Abkommen, das 2015 unterzeichnet zund nach 2020 in Kraft treten soll, und Workstream II: Ambitionssteigerung vor 2020)?

Die Bilanz ist ziemlich ernüchternd, vor allem was mögliche Ambitionssteigerungen und zusätzliche Maßnahmen bis 2020 angeht. Der Arbeitsstrang wurde  2011 in Durban vereinbart, weil allen natürlich klar ist, dass eine riesige Lücke klafft zwischen jetzt und 2020, wenn das neue Abkommen in Kraft treten soll. Sogar die zweite Verpflichtungsperiode des Kioto-Protokolls, die in Doha letztes Jahr vereinbart wurde, ist bisher nur von einer Handvoll von Ländern überhaupt ratifiziert wurden und ist – was die Substanz an Emissionsreduktionen angeht – global gesehen fast irrelevant.

Im Workstream II der ADP soll es also eigentlich um zusätzliche Maßnahmen gehen, die die Länder freiwillig und ohne ein verbindliches globales Klimaabkommen bereits hier und heute umsetzen können. Dazu wurden auch in den vorangegangenen Sitzungen in Bonn in verschiedenen Workshnops und Submissions konkrete konstruktive Vorschläge gemacht. Hierzu gehören beispielsweise der Abbau fossiler Subventionen, die Reduktion von Produktion und Konsum hochpotenter Treibhausgase (HFCs), Energieeffizeinzmaßnahmen und Kooperationen auf subnationaler Ebene. Dass es da auch problematische Vorschläge gibt, habe ich u.a. hier beschrieben.

Anstatt die knappe Zeit hier in Warschau jedoch konstruktiv für einen Austausch zu nutzen, haben sich sehr viele Regierungen darauf konzentriert, alle Themen, die bereits im Kontext eines neuen Abkommens für 2015 verhandelt werden (und übrigens auch alle schon seit der Klimakonferenz in Bali 2007 auf der Agenda stehen), auch auf die Agenda des Workstream 2 zu laden. Hierzu gehören z.B. die Ratifizierung des Kioto-Pr0tokolls, höhere Klimaschutzziele für die Industrieländer, Operationalisierung der Finanzierungszusagen (sowie zusätzliche Finanzierung) und Technologietransfer.

Deutlich wird das z.B. bei den HFCs. Hier haben sich in Warschau nun viele Regierungen in die Position der indischen Regierung eingereiht, die lautet, dass es sich um Treibhausgase und nicht ozonzerstörende Substanzen handelt – und somit die UNFCCC und nicht das Montrealprotokoll zuständig für die Regulierung ist. Und im Rahmen der UNFCCC kommt eben alles mit einem Päckchen von Klimagerechtigkeit (gemeinsame aber differenzierte Verantwortung / CBDR), Finanzierungsverpflichtungen und einer klaren Differenzierung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern daher. Richtig so! Aber es macht eine Einigung inzwischen fast unmöglich…

Die Frustration vieler Entwicklungsländer angesichts der Ergebnisse der ersten Verhandlungswoche ist deutlich spürbar. Und es ist auch verständlich, dass eine solche Situation nicht dazu einlädt, sich konstruktiv in die Verhandlungen einzubringen. Was wir hier aber in Warschau erleben, ist ein bewusstes Blockieren des Prozesses durch Überladen der Agenda.

Greifbar wurde der Konflikt dann u.a. in einem Austausch zwischen der Schweiz (die im Namen der Environmental Integrity Group sprach) und China. Der Schweizer sagte, dass er der Aussage vehement widersprechen wolle, dass es irgendeine Balance zwischen Fortschritt im Workstream I und Fortschritt im Workstream II geben müsse – eine Auffassung, die zuvor einige Entwicklungsländer vertreten hatten. Daraufhin konterte der chinesische Verhandlungsführer Su Wei: Er sei geschockt ob der Aussage und wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass es sich hierbei um eine Verzögerungstaktik in den Verhandlungen handeln könne. Man müsse schließlich beide Beine in Balance bewegen, wenn man sich schnell vorwärts bewegen will.

Der Vergleich allerdings hakt aus meiner Sicht gewaltig: Es geht ja eben nicht um einen Gleichschritt der beiden Verhandlungsstränge, sondern darum, dass der Workstream II die zeitliche Verzögerung im Workstream I ausgleichen soll. Genau in diesem Interesse hat die Durban Allianz aus EU, LDCs, kleinen Inselstaaten und einigen afrikanischen Ländern auch den Deal 2011 auf Schiene gesetzt. Und so ist denn auch der nach außen oft homogen erscheinende Block der Entwicklungsländer in diesen Fragen inzwischen bis auf’s Blut zerstritten. Den einen geht es ums Überleben, den anderen um geopolitische Machtspiele.


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