Auf dem Weg nach Paris – Zwischenbericht von den Bonner Klimaverhandlungen

Nach zwei Tagen Klimaverhandlungen in Bonn – der letzten großen Runde vor dem Klimagipfel in Paris Ende des Jahres – ist die Stimmung durchwachsen. Nach einem mehr oder weniger großen Eklat am Montag wird jetzt intensiv am Text gearbeitet, um hoffentlich bis Ende der Woche einne konkreten Verhandlungsentwurf für das Pariser Abkommen und weitere in Paris anstehenden Entscheidungen vorlegen zu können.

Der Eklat bezog sich auf den von den beiden Vorsitzenden der zuständigen Arbeitsgruppe (ADP) vorgelegten Textentwurf, mit dem keine der Regierungsdelegationen so richtig glücklich war und der dementsprechend nicht als Verhandlungsgrundlage für diese Woche akzeptiert wurde. Nach einem längeren Streit über die Methode, wie die fehlenden Aspekte und Optionen wieder eingefügt werden sollten, und entsprechender Zeitverzögerung, ging es dann am Montag nachmittag wieder richtig los.

Inzwischen haben die Delegationen 85 Ergänzungen zum Text eingereicht und der ursprünglich 20-seitige Entwurf der ADP-Vorsitzenden (plus weitere 4 Seiten für Entscheidungen außerhalb des Pariser Abkommens) war bis gestern mittag wieder auf 34 Seiten angewachsen. Das ist immer noch deutlich weniger als der bisher als einzig offiziell anerkannter Verhandlungstext geltende Entwurf vom Februar 2015 (Geneva Text, 86 Seiten).

Klar ist, dass sich zwischen dieser Sitzungswoche in Bonn und dem Auftakt in Paris, wenn Staats- und Regierungschefs und -chefinnen zusammenkommen, noch einiges tun muss (und dafür gibt es auch diverse Termine und Treffen auf höchster Ebene), um Optionen einzudampfen und Kompromisse auszuloten. Da stehen wir jetzt deutlich besser da als vor dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009 – auch wenn letztlich viele der großen politischen Fragen ungeklärt sind.

Auf einiges haben sich jedoch alle bereits geeinigt, und das ist der generelle Ansatz, der für das Abkommen in Paris verfolgt werden soll: bottom-up, was so viel meint wie „jeder macht, was er oder so kann und will“. Entsprechend haben schon über 150 Länder ihre sog. „INDCs“ (Intendes Nationally Determined Contributions“) eingereicht – also vorgelegt, was sie bereit sind, in das Abkommen einzubringen (Klimaziele bis 2030).

Für die Entwicklungsländer sind das Beiträge, die sowohl national sofort umsetzbare Maßnahmen enthalten als auch Maßnahmen, für die sie Unterstützung in Form von Finanzierung, Technologien und Kapazitätsaufbau benötigen. Diese „means of implementation“ bleiben demnach ein wichtiges Thema auf dem Weg nach Paris.

Eine andere Frage ist die der Messbarkeit und Vergleichbarkeit der einzelnen Beiträge sowie ihr Zusammenwirken mit Blick auf das globale Ziel, die Erwärmung auf maximal 2 °C über vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Da sich die Länder beim letzten Klimagipfel in Peru nicht auf eine Methode für Messbarkeit und Vergleichbarkeit einigen konnten, bleibt es aktuell der Wissenschaft und Zivilgesellschaft überlassen, eigene Berechnungen, Abwägungen und Bewertungen vorzunehmen.

An Bewertungen gibt es derzeit u.a.

  • Die Analysen des Climate Action Tracker Teams (CAT) zu einzelnen INDCs. CAT geht aktuell auf Basis der vorliegenden INDCs von einer Erwärmung von 2,7-3 °C bis 2100 aus.
  • Eine große Allianz aus Umwelt- und Entwicklungs-NGOs, Gewerkschaften sowie sozialen Bewegungen (die Bandbreite reicht von WWF bis Third World Network – und allein das ist schon bemerkenswert!) hat diese Woche in Bonn einen eigenen Civil Society Equity Review vorgelegt.

Deren Schlussfolgerung ist ziemlich klar: Es reicht noch lange nicht für das Gesamtziel, aber es sind vor allem die Industrieländer, die weit weniger als ihren „fair share“ vorgelegt haben, wenn man historische Verantwortung und wirtschaftliche Kapazitäten betrachtet. Für die EU z.B. betrachten sie die vorgelegten Ziele als gerade mal ein gutes Fünftel dessen, was nötig wäre (Unterstützung für die Entwicklungsländer einbezogen):

Fair Shares

 

 

 

 

 

 

 

  • Auch die OECD hat sich die vorliegenden INDCs angeschaut (Stand war Ende August 2015) und kommt zum Schluss, dass es für 2°C noch nicht reicht.

Während jetzt also die Bonn Session in die heiße Phase geht, sitzen die NGOs vor der Tür – denn auf Betreiben von Japan (und trotz großen Protests der G77 und vieler anderer Entwicklungsländer – sowie unter dem schweigenden Einverständnis der EU und der USA) wurden „Observers“ von den aktuellen Verhandlungsrunden ausgeschlossen. Ob die Proteste der NGOs (u.a. durch einen Twitter-Storm #KeepUsInTheRoom) noch etwas bewirken werden, bleibt ungewisse. Gerungen wird nun also hinter verschlossenen Türen. Rechenschaft müssen die die Regierungen am Ende aber doch ablegen für das, was soe vollbringen und für die Dinge, in denen sie versagen.

 

 


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