Geoengineering-Experiment in Schweden – starke Kritik von schwedischer Zivilgesellschaft

Während große Teile der Welt weiter mitten in der Corona-Krise stecken und mit den Einschränkungen und Folgen der Pandemie zu kämpfen haben, treiben Befürworter*innen1 des Geoengineering ihre Pläne für großtechnologische Technofixes voran.

Eines der prominentesten und auch gefährlichsten geplanten Experimente im Bereich des Solaren Geoengineerings ist das ScoPEx-Experiment von Forscher*innen an der Harvard University, über das wir auf diesem Blog auch schon hier, hier und hier berichtet haben. Die Technologie, die SCoPEx vorantreiben soll, heißt „Stratospheric Aerosol Injection“ — was bedeutet, dass in großem Umfang sonnenlichtreflektierende Partikel in die Stratosphäre eingebracht werden sollen, um den globalen Temperaturanstieg zu unterdrücken. Unser aktualisiertes Factsheet zu SCoPEx findet ihr hier (auf Englisch), ein Technologie-Briefing zu den Risiken dieser Technologie in unserem neuen Böll-Dossier zu Geoengineering: Stratospheric Aerosol Injection (SAI).

Auch das internationale Climate Action Network, ein NGO-Verband, der 1500+ Mitgliedsorganisationen in über 130 Ländern hat, betont die gravierenden geopolitischen, sozialen, ökologischen und ethischen Risiken des solaren Geoengineerings und spricht sich klar gegen den Einsatz und gegen Freilandexperimente aus (CAN Position: Solar Radiation Modification (SRM), September 2019).

Im Dezember gab das ScoPEx-Forschungsteam bekannt, erste Freilandtests in Form von Atmosphärenflügen, die die Hardware des Experiments testen sollen, im Norden von Schweden durchführen zu wollen – und zwar ab Juni 2021.

Dagegen gab es schnell ersten Protest:

  • Tweet von Greta Thunberg

Auch internationale Medien haben bereits darüber berichtet:

SCoPEx hat bereits vor einiger Zeit ein eigenes Governance-Beratungsgremium (SCoPEx Advisory Committe) zusammengestellt – dessen Mitglieder handverlesen von den SCoPEx-Protagonist*innen sind und ausschließlich aus den USA stammen, obwohl Geoengineering zweifellos globale Auswirkungen hätte und dementsprechend viel breitere Beteiligung bräuchte. Ein offener Brief an den SCoPEx-Beirat hat diese Form der vermeintlichen Selbstregulierung der Forschung und des US-Zentrismus schon in 2019 als problematisch und unzureichend kritisiert.

Die schwedische Zivilgesellschaft – inklusive des Saami Council, der die indigene Saami-Bevölkerung in Schweden, Norwegen, Finnland und Russland vertritt – hat sich nun in einem weiteren offenen Brief an das SCoPEx-Beratungsgremium gerichtet, in dem sie sich klar gegen das Experiment positionieren und das Gremium aufgefordert, das Vorhaben zu stoppen.

Besagtes Beratungsgremium jedoch wird voraussichtlich noch im Februar 2021 eine Entscheidung treffen, ob das Experiment aus ihrer Sicht stattfinden kann und soll. Diese Entscheidung war eigentlich schon zum 15. Februar 2021 geplant, wurde dann aber noch einmal verschoben – vermutlich auch, weil die Debatte jetzt schon kontroverser verläuft als von den SCoPEx-Protagonist*innen erhofft. Doch mit dem Votum des SCoPEx Advisory Committee ist die Entscheidung über das Experiment natürlich noch nicht gefallen: Die Schwedische Space Corporation hat in Reaktion auf die offenen Briefe der schwedischen und internationalen Zivilgesellschaft ein Statement veröffentlicht, dass der Atmosphärenflug nur stattfinden wird, wenn er juristisch und ethisch angemessen ist und keine nationalen und internationalen Vereinbarungen bricht.

Auch die schwedische rot-grüne Regierung wird sich zu dem geplanten Experiment positionieren müssen. In 2010 hatte Schweden das de facto Moratorium auf Geoengineering unter der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) (siehe auch hier) mit vorangetrieben und wird jetzt hoffentlich ein klares Signal senden, dass ein Technofix wie Geoengineering kein Mittel ist, um der Klimakrise zu begegnen, sondern – im Gegenteil – diese und andere Krisen sehr sicher noch verschärfen würde.

Wir erwarten, dass sich dann auch andere europäische Regierungen – nicht zuletzt die deutsche Bundesregierung – eindeutig gegen dieses Geoengineering-Freilandexperiment in der EU positionieren werden.

 

Weiterführende Links und Materialien

1 Hinweis: Obwohl wir auch die Geoengineering-Befürworter*innen gendern, weisen wir darauf hin, dass das Feld sehr männlich-dominiert ist, d.h. vor allem männlich gelesene Personen die Forschung im Bereich Geoengineering (und auch konkret: das SCoPEx-Experiment) vorantreiben, und der Diskurs geprägt ist von patriarchalen Strukturen, Denk- und Argumentationsmustern.


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