Der Anfang vom Ende der Wegwerfgesellschaft? Die EU geht das Thema Plastikmüll an

Es war ja heute unmöglich in den aktuellen Tagesnachrichten in ganz Europa zu übersehen: Die Europäische Kommission (EC) hat einen Entwurf für einen Richtlinie zum Plastikmüll präsentiert. Dieser ist Teil der Umsetzung der Europäischen Plastikstrategie, die die Kommission bereits im Januar 2018 vorgestellt hat.

Doch was genau schlägt die EC vor? Die Liste ist recht lang und bezieht sich auf die Plastikprodukte, die vor allen anderen die europäischen Meere und Küsten vermüllen…

Foto von Malina Fuhr mit CC BY-SA Lizenz
  • Ein Verbot von bestimmten Einwegprodukten, für die es sinnvolle und nachhaltige Alternativen gibt, also z.B. für Wattestäbchen mit Plastikstil, Plastikbesteck und Ballonstäbe.
  • Nur einmal zu verwendende Getränkepackungen aus Plastik sollen nur noch dann erlaubt sein, wenn ihre Deckel oder Verschlüsse fest verankert sind und sich nicht lösen.
  • Die Kommission schlägt zudem Reduktionsziele für den Konsum von Lebensmittelbehältern aus Plastik und Plastikbechern vor. Hier sollen die Mitgliedstaaten nationale Ziele setzen.
  • Die Plastikproduzenten sollen finanziell für die Kosten der Müllentsorgung und Säuberung herangenommen werden.
  • Größere Kampagnen zur Information von Konsument/innen soll es für Lebensmittelbehälter, Verpackungen (z.B. für Chips und Süßigkeiten), Plastikbecher, Tabakprodukte mit Filtern (Zigaretten), Feuchttücher, Luftballons und Plastiktüten geben.
  • Mitgliedsstaaten sollen verpflichtet werden, bis 2015 90% der Plastikflaschen einzusammeln, die nur einmal verwendet werden können (z.B. durch Pfandsysteme).
  • Die EU will auch das Labelling für verschiedene Produkte verbessern, um korrekte Müllentsorgung zu vereinfachen – aber auch, um auf die negativen Folgen von Plastik für die Umwelt hinzuweisen. Das ist wichtig, da den Verbraucher/innen ja meist nicht klar ist, dass diese Produkte Plastik enthalten (z.B. Luftballons, Feuchttücher oder Damenbinden).
  • Da ein erheblicher Teil des Mülls in den Meeren von den Fischerei stammt (laut EC etwa 27 % des Mülls, der an den Stränden landet), soll es zudem mehr Pflichten für die Fischerei geben, was die Entsorgung von plastikhaltiger Fischfangausrüstung (z.B. Netzen) angeht.

Den einen erscheint diese lange Liste wie eine Bestätigung, dass die EU nichts als Bürokratie und Spaßbremse ist – Luftballons? Plastikbesteck?? Andere meckern, dass man mit Verboten ja sowieso nicht weiterkommt, und es nur mit finanziellen Anreizen gehen kann – mit der Industrie und nicht gegen sie.

Doch diese Debatten gehen komplett an der Dimension des Problems vorbei. Der Plastikmüll an den Stränden Europas und an anderen Orten der Welt ist nur der kleine sichtbare Teil einer gigantischen Umweltkrise: Plastikverschmutzung tötet Artenvielfalt, zerstört Ozeane, Böden und Luft, gefährdet unsere Gesundheit und verschafft zudem der fossilen Industrie (die ja den Grundstoff für Plastik liefert) eine Zukunft, die sie nicht haben kann, wenn wir es ernst meinen mit den Pariser Klimazielen.

Die Umweltverbände, die seit viele Jahren zum Thema Plastikverschmutzung arbeiten und die Vorbereitungen rund um die EU Plastikstrategie sehr eng beobachtet und begleitet haben, begrüßen den heutigen Richtlinienentwurf, sehen aber auch noch Nachbesserungsbedarf.

Die Rething Plastic Alliance beispielsweise stellt gemeinsam mit Zero Waste Europe und Break Free From Plastic fest:

„[…] the legislation fails to set specific EU-wide reduction targets for food containers and beverage cups, with a promise to look into this possibility only after a lengthy six years after transposition (circa 2027). This could result in countries claiming they are taking the necessary steps as long as any reduction is achieved, regardless of how small. The same time period is also given for a review of the list of products the legislation addresses, with the possibility to expand it. This is vital to shorten to three years after transposition rather than six.“

Ob es gelingen wird, aus dem zumindest ansatzweise ambitonierten Entwurf der Europäischen Kommission am Ende eine angemessene Richtlinie und starke Ziele in allen Mitgliedstaaten zu bekommen, wird nicht zuletzt daran hängen, wie das Ringen mit der machtvollen Plastikindustrie ausgehen wird.

Hier hat Corporate Europe Observatory zuletzt noch einmal eindrücklich beschrieben, mit welchen Lobbystrategien und -maßnahmen sich die Plastiklobby gegen verbindliche Regulierungen wehrt.

Diese Woche tagt übrigens in Nairobi auch zum ersten Mal die von der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA 3) im letzten Dezember einberufene Expert/innengruppe zum Thema Meeresmüll und Mikroplastik. Auch da hat sich die Zivilgesellschaft gemeinsam mit anderen Major Groups der UN lautstark zu Wort gemeldet (hier das Positionspapier, das auch die Heinrich-Böll-Stiftung mitgezeichnet hat) und ist vor Ort dabei.

Graphic: Courtesy of Break Free From Plastic

Und schließlich sei noch erwähnt: Heute ist World Menstrual Hygiene Day – eine gute Gelegenheit, auf das Problem von Plastik und giftigen Chemikalien in Menstruations- und Hygieneartikeln hinzuweisen. Eine sehr gute Daten- und Faktensammlung dazu gibt es bei WECF: Findings of a literature study: Plastics, Gender and the Environment

Und wer immer noch mehr lesen will, findet vielleicht das eine oder andere in dieser Materialsammlung:

Ausgewählte Organisationen, die zum Thema Plastik arbeiten:

https://www.breakfreefromplastic.org/

http://no-burn.org/ (GAIA)

https://zerowasteeurope.eu/

https://storyofstuff.org/

https://www.ellenmacarthurfoundation.org/

https://www.plasticsoupfoundation.org/en/

https://www.greenpeace.org/international/act/lets-end-the-age-of-plastic/

http://ciel.org/fueling-plastic

https://www.surfrider.org/

http://www.foeeurope.org/materials-and-waste

http://www.rethinkplasticalliance.eu/

On Chemicals & Toxics:

http://www.chemtrust.org/

http://hej-support.org/

http://www.wecf.eu/english/chemicals-health/

http://www.ipen.org/

http://ecostandard.org/category/chemicals/

Also check out the following websites:

https://zerowastecities.eu/

www.plasticpolluters.org

Zum Thema Plastic Pollution, Gender and Women:

Plastic, Gender and the Environment: www.wecf.eu/english/publications/2017/Gender-and-Plastics.php

Women and Chemicals: http://www.wecf.eu/english/publications/2016/women_chemicals.php

What has Gender got to do with chemicals: Documentary, 30 min, https://www.youtube.com/watch?v=YugG5jZ8Vvw&t=234s

Gender Dimensions of Hazardous waste and policies under the BRS Conventions, case study Indonesia and Nigeria 2017, pdf can be found here: http://www.wecf.eu/english/publications/2017/GenderandWaste_casestudy.php

Emfpohlene Reports und Artikel:

Food Waste: http://www.foeeurope.org/unwrapped-throwaway-plastic-food-waste

Critical view of lobby power of the industry:  https://corporateeurope.org/power-lobbies/2018/03/packaging-lobbys-support-anti-litter-groups-deflects-tougher-solutions?hash=Suj86cKEadgFMxKKODigOlBqh6EoWGd-ynWPDOv3YEc

Plastic & Food Waste: http://www.foeeurope.org/unwrapped-throwaway-plastic-food-waste

Microplastic factsheet: http://toxicslink.org/docs/Microplastics%20Factsheet%20(revised).pdf

Chemicals: http://www.chemtrust.org/wp-content/uploads/chemtrust-toxicsoup-summary-mar18.pdf

Plastics & Fossil Fuels: http://ciel.org/fueling-plastic

Narrative: http://threeworlds.campaignstrategy.org/?p=1847

Recycling is not enough: http://www.no-burn.org/wp-content/uploads/Recycling-is-Not-Enough-online-version.pdf


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